Leipzig

Ich gebe zu, ich hatte Ressentiments. Bei meinem letzten Besuch war ich in einem Restaurant, für das man anstehen musste, um dann von einer eher militärisch bestimmenden, denn freundlichen Kellnerin an einen Vierertisch geführt zu werden, an dem bereits ein freundliches Leipziger Pärchen saß.

Die Speisekarte bot die mir befremdlich erscheinende Wahl zwischen Fertiggerichten und einer kleinen Tageskarte. Ich entschied mich für Schweinekotelett mit Erbsen und Sättigungsbeilage.

Rückblickend wäre ein Fertiggericht wohl die bessere Wahl gewesen, denn das Kotelett war zäh, die Erbsen angebrannt, der sättigende Kartoffelbrei ebenfalls.

Als kostenlose Beigabe spielte ein Duo, bestehend aus Klavier und Geige, beharrlich La Paloma. An andere Stücke kann ich mich jedenfalls nicht mehr erinnern, denn jedes Mal bei „ohé“ angekommen, traf der Geiger den Ton nicht.

Erlebnisse, die sich dauerhaft ins Gedächtnis brennen.

Nun, dieses Ereignis bezahlte ich allerdings nicht nur mit einem La-Paloma-Trauma, sondern auch in Mark der Deutschen Demokratischen Republik, und nur 29 Jahre später war ich bereit für einen neuen Versuch Leipzig zu erkunden.

 

Den Sanierungsprojekten des schillernden Baulöwen und ehemaligen Königsteiners Jürgen Schneider folgten viele weitere Investoren, und die Innenstadt wurde hübsch herausgeputzt, manchmal vielleicht etwas zu hübsch. Doch der Zahn der Zeit wird es schon richten.

Tagsüber durch die Stadt gebummelt, abends in das Restaurant Max Enk, man konnte draußen sitzen in einem dieser hübsch herausgeputzten Innenhöfe…

Wenn Du in Leipzig bist, mach es wie die Leipziger, dachte ich, und bestellte ein Leipziger Allerlei (22.-), vorneweg einen Teller Tagliatelle in Trüffelrahm, Blattspinat und wachsweich gekochtem Ei (16,-). Die Reisebegleitung Jakobsmuschel mit Ochsenherztomate und frittierter Chorizo, einem Pesto und etwas Limette.

Dazu brachte der aufmerksame Service auf meine Bitte hin zwei Weine zum probieren, einmal den Hauswein, eine Cuvée aus Riesling und Solaris aus Radebeul im nördlichsten deutschen Weinanbaugebiet Sachsen, und einen Sauvignon Blanc Fumé von Oliver Zeter aus der Pfalz. Die Pfalz gewann den Platz an meinem Tisch.

Nussige Jakobsmuschel mit scharfer Wurst? Gelungene Kombination!

Die Nudeln hatten ausreichend Trüffel und schmeckten ordentlich, aber einen bleibenden Eindruck haben sie nicht hinterlassen.

Das Leipziger Allerlei hingegen punktete mit knackig gegartem Gemüse wie Zuckerschoten, Karotten, grünem Spargel und Blumenkohl, und tatsächlich Morcheln und Flusskrebsnasen, so wie es sich gehört. Und die Sauce gebunden mit dunkler Roux!

Noch ein zweites Glas von dem köstlichen Sauvignon Blanc bestellt, und der fand sich dann auf der Rechnung mit 15 Euro das Glas wieder. Ok, ich hätte nach dem Preis fragen sollen, und da die Flasche im Einkauf 15 Euro kostet, ist das auch in etwa korrekt kalkuliert. War trotzdem etwas verblüfft.

 

Abends in die Bar. Gleich gegenüber vom Hotel.

Das Brick’s.

Im Keller, ohne Fenster. Also eine richtige Bar. Allerdings war die Inneneinrichtung direkt aus dem Filmplakat von  „Cocktail“ mit Tom Cruise übernommen worden, viel Neon, bunte Tische und Barhockern von der Poco-Domäne.

Da aber auf dem Bildschirm 80er-Jahre Musikvideos in Dauerschleife liefen, scheint das wohl Teil des Konzepts zu sein. Auch der Barkeeper. Niemals vorher habe ich einen Mann mit Metallschlips gesehen. Eigentlich sagt man ja Krawatte, aber hier passt Schlips nun wirklich.

Die Karte ein Graus. Über hundert Positionen, und sehr viele Drinks mit Fruchtsäften. Auch Batida de Coco, andere längst verschwunden geglaubte Liköre, Sahne, Joghurt(!) und noch diverse andere Scheußlichkeiten waren zu sehen.

Ich hatte mir immer fest vorgenommen in einem solchen Moment die Karte wieder zuzuklappen, und mich höflich zu verabschieden.

Aber es war irgendwie nett. Metallschlips war freundlich und aufmerksam, und so bestellten wir zwei Standards, Manhattan und Old Fashioned, die gleich als „Upgrade“ mit Woodford Reserve (anstelle von Jim Beam) angeboten wurden, dann für 10 Euro statt sonst sieben.

Sauber gemixt, mit großen Eiswürfeln serviert, alles fein. Und trotzdem irgendwie schräg. Im Laufe der Zeit tauchten einzelne, offensichtliche Stammgäste auf, die definitiv schon die eine oder andere Kerbe auf den Barhocker gesessen hatten. Nun, so muss eine gute Bar sein, oder? Mit einer Flasche Bier in der Hand noch zu den Videos (Formel Eins) mitgewippt, und einen sehr kurzen Weg ins Hotel angetreten.

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Auf dem Weg nach Dessau am nächsten Tag an der Ausfallstraße eine vietnamesische Enklave entdeckt, mit Großmarkt, Restaurants und was die vietnamesische Gemeinde sonst so alles braucht.

Abends dann dort, im Dong-Xuan-Center, vorbeigeschaut. Der Großmarkt war für mich eher uninteressant, lauter kleine Boxen mit Händlern verschiedenster Art. Wer aber billige Textilien oder Plastikspielzeug sucht, wird hier fündig. Draußen jedoch zwei kleine Restaurants, eines hatte den Fernseher auf der Terrasse, dort ließen wir uns nieder.

Um uns herum lauter heftig rauchende Vietnamesen, viele Familien mit Kindern und eine beachtliche Geräuschkulisse. Währenddessen gingen mehrere Männer immer wieder zu einem Automaten, der auch auf der Terrasse stand, und fütterten ihn mit Geld, bekamen aber keine Zigaretten heraus, sondern nur ein kleines Zettelchen. Nachdem nun weitere Männer immer wieder diesen Automaten besucht hatten, manche von ihnen schon zum zweiten oder dritten Mal, wurde ich doch neugierig. Und siehe da: Ein Wettautomat! Mit sich verändernden Quoten zum laufenden Fußballspiel, Pferderennen irgendwo auf der Welt, Tennisspielen usw.

Drinnen war auch noch einer, wetten scheint beliebt zu sein.

Gegessen haben wir Schweinebauch mit Nudeln und Salat, rustikal angerichtete Riesenportion für 7,90, und eine Pho, die vietnamesische Nudelsuppe. Beides lecker, und sehr authentische Atmosphäre…

 

Abends auf einen Drink.

Gegen halb 12 das Imperii betreten und freundlich darauf hingewiesen worden, dass die Bar schließt, wir aber gerne noch einen Drink serviert bekommen würden. Genau das wollten wir, und fanden zwar die Öffnungszeiten für eine Bar in einer Großstadt etwas kurz, aber an einem Dienstagabend darf man ja auch mal früher Schluss machen.

Helles Interieur, viel Holz mit ein wenig Industrialcharme, Kohlefaden-Glühlampen und so, aber sehr gemütlich.

Bijou Variante mit Tequila und Agave statt Gin, und einen Aviation, 10,50 und 10 Euro, beides sehr gut.

Nach uns kam noch ein durstiger Gast, der zwar den Hinweis auf den Feierabend, aber doch auch noch einen Gin Tonic bekam.

Also ab ins Brick’s!

Und was war die Begrüßung von Herrn Metallschlips?

„Hallo! Dasselbe wie gestern?“

Hach!

 

 

 

 

 

Max Enk
Neumarkt 9
04109 Leipzig

Hà Nội Quán
Maximilanallee 16
04129 Leipzig

Brick’s
Brühl 52
04109 Leipzig

Imperii
Brühl 72
04109 Leipzig

 

 

 

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