Restaurant Emma Wolf, Mannheim

Am letzten Abend (und damit auch dem letzten Abend vor dem Beginn des Lockdowns, der damals, Anfang November, noch auf 4 Wochen angesetzt war…) unseres Besuches in Mannheim ging es in das Restaurant Emma Wolf since 1920. So lange gibt es das Restaurant noch nicht, eine Anspielung auf das Geburtsdatum der namensgebenden Großmutter von Koch Dennis Maier.

Nach diversen Stationen, unter anderem bei Juan Amador, eröffnete er 2016 sein eigenes Restaurant. Maier betreibt zusammen mit einem Partner noch weitere gastronomische Projekte in Mannheim, doch Emma Wolf ist sein Vorzeigeobjekt.

Das Restaurant ist seit 2017 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Die Lage ist recht ungewöhnlich, es befindet sich im Untergeschoss des Einkaufszentrums Q6 Q7, zwischen Drogeriemarkt, Nagelstudio und Fast-Food-Imbissen. Einer davon, „Die Küche Q6Q7“ und der Delikatessenladen gegenüber, „Schnaps und Liebe“, gehören mit zum Imperium.

Innen klare Linien, hell und aufgeräumt, aber nicht ungemütlich. Nur wenige Sitzplätze, der Gastraum ist nicht viel größer als die offene Küche. Ein modernes „Bistronomy“-Konzept, Sterneküche ohne Angst vor Flecken auf weißen Tischdecken.

Wir bestellten ein 5-Gang-Menü und ein vegetarisches Menü, auch mit 5 Gängen. Vegetarisch übrigens nicht aus Überzeugung, sondern weil die Gerichte sehr vielversprechend klangen.

Der Gruß aus der Küche, nach Brot und Butter, eine Wasabi-Crème mit Kokosraspeln, Romanasalat, Enokipilzen, Noristaub (die Algen, mit denen die Maki-Sushi eingerollt werden) und gepuffter Weizen.

Der erste vegetarische Gang eine Zwiebel auf geräuchertem Kartoffelnest und Kamillepulver.

Die freundliche Sommelière servierte dazu, in edlen Gabriel-Gläsern, als Beginn der Weinbegleitung, einen sehr guten Viognier.

Das sei hier schon einmal vorweggenommen: Die Weinbegleitung war ausgezeichnet und, wie sich später herausstellen sollte, geradezu unglaublich preiswert!

Und Herz- und Stabmuscheln auf mariniertem Fenchel, mit einem Jalapeno-Gel, dazu ein Auxerrois.

Ein Gang des vegetarischen Menüs wurde unkompliziert ausgetauscht, daher zweimal der dampfgegarte Ora King Lachs mit einer Meerrettichscheibe, geriebenem Meerrettich, einer Apfel-Beurre blanc und einem Klecks Imperial-Kaviar.

Lachs gehört nicht zu meinen bevorzugten Speisefischen (außer natürlich, ich bereite ihn selber zu), da oft von zweifelhafter Güte.

Hier jedoch war die Produktqualität über jeden Zweifel erhaben, und natürlich auf den Punkt gegart.

Dazu einen hervorragenden Riesling Große Lage von Peter Jakob Kühn (Kleine Randnotiz: Eine Flasche dieses Weines kostet ab Weingut etwa soviel wie unsere Weinbegleitung).

Der dritte Gang, eine Taube mit Rote Bete und einer Foie gras von der Ente, mit vier verschiedenen Saucen. Und Hanfsamen.

Taube

Die Taube war butterzart und köstlich, Foie gras perfekt, die Saucen klassisch und exzellent, auch wenn zwei vielleicht gelangt hätten. Nur die Hanfsamen wären in einer Pfeife besser aufgehoben gewesen.

Dazu ein prächtiger Spätburgunder vom Pfälzer Weingut Münzberg.

Und dann kommt da Blumenkohl.

Ein Couscous aus rohem Blumenkohl, ein Blumenkohleis (!), Blumenkohlschaum, gerösteter Blumenkohl mit Belugalinsen und gehobelter Belper Knolle (ein quasi dehydrierter Käse aus der Schweiz, den man wie Parmesan verwenden kann).

Von gegenüber kamen die ersten entzückten Ausrufe ob der Delikatesse der vegetarischen Kompositionen.

Nochmal der Riesling von Kühn, was nun wirklich nicht schlimm war…

Auf dem Niveau ging es weiter, mit geräucherten Beten, Kürbis, Trüffel und unglaublich leckeren Zitronenseitlingen.

Serviert mit einem Macon Chardonnay Les Crays von den Bret Brothers, ausgebaut im großen Fass, dezentes Holz, aber nicht zu viel, so geht weißer Burgunder!

Mein Onglet mit eingelegtem Chicorée, Zwiebel und geräuchertem Kartoffelpüree, ähnlich der Zubereitung im ersten Gang, und einer üppigen Schicht Trüffel, brauchte sich aber nicht hinter dem vegetarischen Teller zu verstecken.

Onglet/Hanging Tender/Nierenzapfen

Moment, Trüffel?

Standen doch gar nicht auf der Karte?

Stimmt, aber weil die Küche vor Kurzem noch eine größere Portion eingekauft hatte, das Restaurant aber ja nun am nächsten Tag für den Lockdown schließen musste, gab es die Trüffel netterweise als Extra.

Dazu ein 2011er Granato von Foradori, wieder so ein Wein, der eigentlich flaschenweise verkauft wird, und nicht als Weinbegleitung, da musste ich doch etwas blinzeln. Und kein bisschen zu alt, sondern genau richtig.

Zu guter Letzt zwei verschiedene Desserts, einmal Amaranth, Kokos, Orange und weiße Schokolade, und ein Dessert mit einer Buttermilch als Creme und als Parfait, zart wie eine Wolke, dazu ein Zitronenschaum.

Buttermilch

Beides begleitet von Champagner Georges Laval, demi-sec.

Mussten die Weine auch raus? Wie die Trüffel? Nun, ich habe mich nicht beschwert.

Hervorragende Küche, eine vegetarische Offenbarung, perfekter Service und tolle Weine.

Apropos Service, eine Mitarbeiterin deckte gen späten Abend die Tische noch einmal ein. Auf die Frage warum, morgen sei doch für einen Monat geschlossen, antwortete sie:

„Damit es nicht so traurig aussieht.“

Phantomschmerz…

Küche

Das 5-Gang-Menü zu 115 Euro, das vegetarische Menü für 85 Euro, Weinbegleitung je 45 Euro.

 

Nachtrag: Hier hat mich die traurige Realität leider ein-, ja überholt.
Dennis Maier hat sich entschlossen Emma Wolf nicht wieder zu öffnen. Damit bleibt dies der wahrhaftig allerletzte Eindruck aus dem Restaurant, und der Tisch wurde endgültig abgedeckt.
Eine kleine Hoffnung regt sich jedoch bei mir, dass dieses Talent sich nicht in seinem Zweitlokal versteckt, sondern irgendwann wieder auf der „großen Bühne“ erscheint.
 

Mannheim

„In Mannheim weint man zweimal:
Einmal, wenn man kommt, und einmal, wenn man geht.“ (Chris Cosmo)

 

Mannheim Collini-Center
Neckar mit Collini-Center

Am letzten Wochenende vor dem Lockdown, Ende Oktober, ging es nach Mannheim.
Eine ideale Planstadt des Barock, aufgeteilt in die berühmten Quadrate.

Berüchtigt für seinen Dialekt, früher von Joy Fleming gesungen, heute übernimmt die Idiomerhaltung Bülent Ceylan.

Ein wahrer Melting Pot, die Bewohner stammen aus 166 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, da kann sich New York warm anziehen.

Was wurde hier nicht alles erfunden, Carl Benz erfand das Automobil, Karl von Drais das Fahrrad, und Dario Fontanella das Spaghetti-Eis.

In Mannheim hat nun tatsächlich der Zweite Weltkrieg die größten baulichen Schäden verursacht, und nicht, wie in manch anderer Stadt der Bundesrepublik, die Städteplaner der Fünfziger- und Sechzigerjahre.

Nur, wie wurde es wieder aufgebaut?

Sagen wir es so: Meine Lust am Brutalismus wurde befriedigt.

Ja, natürlich gibt es da noch das Barockschloss, das war aber schon in Corona-Starre und geschlossen.

Oben auf dem Bild das Collini-Center. Der verhüllte Büroturm rechts wird demnächst abgerissen, mit ihm ein herrliches Siebziger-Interieur der „Galerie“, einer Einkaufspassage.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Neckars die NUB, die Neckaruferbebauung Nord.

Mannheim Neckaruferbebauung

Mannheim Alte Feuerwache
Alte Feuerwache

Von den geplanten vier Türmen wurden nur drei gebaut, nur dadurch entging die Alte Feuerwache dem Abriss. 1980 doch wahrhaftig mit dem Preis des Bundes Deutscher Architekten im Wettbewerb „Wohnen in städtebaulicher Verdichtung“ ausgezeichnet.

Mannheim Neckarhochhaus

Abends in den Familienbetrieb, eine nette studentische Gaststätte, die Wert auf die Herkunft ihrer Fleischprodukte legt, aber auch vegetarische und vegane Gerichte anbietet, inklusive einer veganen Mayonnaise (brrr!).

Für mich bitte eine sehr leckere Gulaschsuppe und einen ebenfalls sehr guten Hamburger, ohne Mayo.

Kein Barbesuch wegen Sperrstunde…

Auch aus der Hotelbar wurden wir dann pünktlich um 23 Uhr rausgekehrt, und haben den Abend mit zwei Gläsern Crémant auf dem Zimmer ausklingen lassen.

Am nächsten Morgen zum Frühstück in Die Metzgerei, Weinbar, Bistro und Frühstückscafè.

Was haben sich die Gastronomen für eine Mühe gemacht, die Anzahl der Tische verringert, Plexisglaswände zwischen die verbliebenen gestellt, Desinfektionspender überall. Wie wir heute wissen leider nutzlos (Die Metzgerei bietet Essen zum Mitnehmen an).

Die auf Etageren servierten Frühstücke sind thematisch aufgebaut, vom „Strandfeeling auf Helgoland“ mit Lachs und Garnelen, bis zur „Freiheitsstatue in New York“ (Pancakes).

Die Wahl fiel auf Schiefer Turm und Eiffelturm.

Mannheim Metzgerei Frühstück

Frisch gestärkt ein Besuch des Wochenmarktes auf dem Marktplatz, viele Stände mit Erzeugern.

Diese nette Dame verkaufte uneingelegte Oliven, etwas bitter, aber sehr schmackhaft. Und gab uns noch einen prima Tipp zur Zubereitung dazu.

Später dann, auf dem Weg zu zwei Vintagemöbel Läden, ein Fundstück aus dem Skurrilitätenkabinett:

Die Corona-Bar, eine griechische Kneipe mit, sagen wir einer gewissen Bodenständigkeit.

Wenn deine Bierbestellung der jungen Bedienung von anderen Gästen übersetzt werden muss, fühlt es sich fast wie Urlaub im Ausland an!

Der erste Möbelladen war Conny Kern in der Laurentiusstraße.

Conny legt den Schwerpunkt auf Möbel aus den Sechzigern und Siebzigern, viele schöne Lampen, und ihr Partner hat eine große Sammlung an Hifi-Geräten aus dieser Zeit angehäuft, inklusive Reparaturservice.

Der Fröhlichladen in der Fröhlichstraße bietet einen etwas umfassenderen Stilmix in einem alten Backsteingebäude mit hübschem Hof.

Normalerweise ist in solchen Etablissements die Ehefrau für das Geldausgeben zuständig, dieses Mal ist jedoch mir ein Objekt aufgefallen, das nicht dort bleiben durfte.

Eine Werkbank/Arbeitstisch aus Frankreich, der, nachdem er jahrzehntelang von einer Brombeerhecke überwuchert wurde, nun die richtige Patina hat.

Fröhlicher Tisch

Ab dem Frühling wird er bestimmt öfter als Fotountergrund auftauchen – ohne Hipsterdeko.

Noch so ein Relikt aus der Vergangenheit: Das Café Mohrenköpfle. Karottenkuchen, Sahnetorten und Mannemer Dreck (ein Makronengebäck mit Marzipan).

Café Mohrenköpfle

Auch sie blieben nicht von der Sprachpolizei verschont, mit der sich so manche Mohrenapotheke in Deutschland inzwischen herumschlagen muss. Oder der Mainzer Dachdecker Thomas Neger, Enkel der Karnevalslegende Ernst Neger, des „singenden Dachdeckers“.

Das Kulturzentrum Capitol, ein paar Schritte entfernt vom Mohrenköpfle, hat seine alte Sarotti-Mohr-Werbung inzwischen im Christo-Stil umhüllt.

Zum Abendessen in das Restaurant Emma Wolf, dem heimlichen Ziel der Reise, dazu ein eigener Artikel.

Abschließend kann man sagen, schön war’s. Mannheim präsentierte sich, nun, etwas ungeschliffen und rau, aber sehr charmant.

Und wie ist das nun mit dem Dialekt? Hier eine Kostprobe, diesmal nicht gesprochen von Bülent, sondern von der Mannheimer Boxlegende Charly Graf, genannt „Ali von Waldhof“.

In dieser Trouvaille aus den Siebzigern außerdem anschauliche Beispiele für beileibe nicht verschwunden Alltagsrassismus (auch ohne Mohr). Drehort waren übrigens die im prekären Fernsehen wieder topaktuellen Benz-Baracken.

 

Familienbetrieb
M2 12

Die Metzgerei
Rheinparkstraße 4

Conni Kern
Laurentiusstraße 26

Fröhlichladen
Fröhlichstraße 63

Café Mohrenköpfle
Mittelstraße 11