Gazpacho nach Almodóvar
Hundstage. Deutschland glüht im Glanze. Etwas erfrischendes muss her, und was könnte erfrischender sein als eine kalte Suppe?
Zeit für ein Gazpacho!
Ein? Der? Die, das Gazpacho? Der Duden empfiehlt der oder die, im Spanischen heißt es „el gazpacho“, also maskulin.
Manche Gerichte bleiben auf ewig im kulinarischen Gedächtnis und sind verbunden mit Düften, Ereignissen und Erinnerungen, die Weihnachtsgans oder die Plätzchen der Großmutter, die erste echte italienische Pizza, das Eis am Strand von Vittorios mobiler Eisdiele, und so weiter.
Meine Erweckung durch Gazpacho begann im Hochsommer auf einer staubigen spanischen Landstraße im Landesinneren, damals noch mit luftgekühltem Auto. Die Insassen wurden allerdings keineswegs gekühlt, und nachdem ein gerissener Gaszug zwar im MacGyver-Stil mit Bordmitteln repariert werden konnte (Nagelfeile als Schraubenzieher-Ersatz und eine am Straßenrand gefundene Lüsterklemme), das betagte Fahrzeug danach aber eine noch geringere Höchstgeschwindigkeit hatte, stieg das Bedürfnis nach kalten Getränken.
Das im Auto befindliche Wasser in Flaschen hatte den Siedepunkt erreicht, die Luft flirrte und die wenigen Menschen in den verlassenen Dörfern der Extremadura zerflimmerten zu den erratischen Figuren von Picassos Don Quixote, keine Bar, kein Kiosk weit und breit.
Doch dann, auf einem Hügel am Horizont, tauchte die Oase auf: Eine klapperige Tankstelle mit kleiner Bar im Nebengebäude. Durch den Fliegenvorhang hinein ins Halbdunkel, den Weg über den mit benutzten Papierservietten, Erdnussschalen und Zigarettenkippen gesprenkelten Fliesenboden gebahnt, und den Kühlschrank mit Wasser und zuckriger Naranja-Limo leergekauft.
Da fragte die rustikale Wirtin uns: „Wollt ihr nicht lieber ein Gazpacho? Ist ganz frisch gemacht.“
Keine Ahnung was ein Gazpacho war, aber her damit, Hauptsache kalt. An einen der Tische gesetzt, eine Schüssel mit Suppe und etwas Brot serviert bekommen, und den ersten Löffel probiert. In diesem Moment fuhr aus dem Himmel ein gleißender Lichtstrahl auf meine Suppenschale, und ich bin mir sicher es erklang auch ein Chor mit dem Halleluja, irgendwo aus den Tiefen der Bar.
Die Suppe frisch zubereitet, eiskalt und von erlesenem Geschmack, so konträr zum sonstigen Erscheinungsbild der kleinen Bar. Und so begann eine Liebe fürs Leben.
Wie so oft gibt es viele Rezepte, und so einige Varianten, grüner, gelber, fester Gazpacho, etc.
Doch bleibt der klassische Gazpacho mein Favorit.
Und zu dessen Rezept möchte ich einen Film empfehlen, „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“.
In diesem wirklich sehenswerten Frühwerk von Pedro Almodóvar spielt ein Gazpacho eine wichtige Rolle. Die Protagonistin hat die Suppe mit Schlafmitteln versetzt, um ihren untreuen Liebhaber damit zu vergiften. Doch nicht dieser erscheint in ihrer Wohnung, sondern stattdessen seine Ehefrau, zwei Polizisten und noch so einige andere Personen.
Was ist nun drin in einem guten Gazpacho, abgesehen von einer ordentlichen Ladung Schlaftabletten? Die großartige Carmen Maura verrät es uns hier (der junge Mann auf dem Sofa im grauen Anzug mit den Achtziger-Jahre-Schultern ist übrigens Antonio Banderas):
„Tomate,
pepino (Gurke),
pimiento (Paprika),
cebolla (Zwiebel),
una puntita de ajo (ein „Pünktchen“ Knoblauch, eine kleine Zehe),
aceite (Öl),
sal (Salz),
vinagre (Essig),
pan duro (altbackenes Weißbrot),
y agua (und Wasser).“
Dann los, man nehme für 4 Personen:
600g reife Fleischtomaten
1 Gurke
1 grüne Paprika
1 kleine milde Zwiebel, sonst eine viertel Gemüsezwiebel
1 Knoblauchzehe
3 El Olivenöl (sollte nicht zu grasig/bitter sein, gerne spanisches, z.B. von der Sorte Arbequina)
1 Prise Salz
2 El Weißweinessig
2 kleine Scheiben altbackenes Weißbrot
½ Liter Wasser
Ich ergänze noch um 2 El Tomatenmark, gibt Geschmack und eine schöne Farbe.
Die Gemüse in kleine Stücke schneiden, das Brot entrinden und klein würfeln, mit den anderen Zutaten zusammen in einen Standmixer geben und sehr fein pürieren. Wer auch den letzten Tomatenhautfitzel entfernen will, möge die Suppe durch ein Sieb streichen.
Mit Salz und Pfeffer abschmecken, bei Bedarf eine Prise Zucker zugeben.
In den Kühlschrank stellen, am besten einen ganzen Tag lang. Gazpacho muss eiskalt sein! Nicht mit Eiswürfeln herunterkühlen, das würde zu sehr verwässern.
Servieren kann man entweder wie im Film als Getränk im Glas, oder in der Café au lait Schale.
Wenn im Teller angerichtet wird gebe ich noch Garnitur dazu, in Olivenöl geröstete Croûtons und Stückchen der verwendeten Gemüse.
Die Zutaten wie immer von bester Qualität und Reife wählen, denn wie ein spanisches Sprichwort schon sagt:
„Con mal vinagre y peor aceite, buen gazpacho no puede hacerse.“
(Mit schlechtem Essig und schlechterem Öl lässt sich kein guter Gazpacho herstellen)
Weinempfehlung:
Rosé, hier Cabernet Sauvignon aus dem Somontano, ein Douro Rosado aus dem benachbarten Portugal geht auch prima.
You did it again…!
Sitze mit Freudentränen im Zug und versuche erfolglos mein Kichern zu unterdrücken. Zum Glück nur wenige Mitreisende…
Herrlich!!! Ich sehe dich im Glanze glühend vor meinem wässrigen Auge.
Danke und auf bald!
In jeder Hinsicht köstlich!!
Deine Beiträge sind immer ein Genuss und dieser ist ganz besonders witzig und bezaubernd.
Demnächst gibt’s Gazpacho!