Mittagsmenü, jeweils 4 Gänge. Es war ein furchtbar heißer Tag, deswegen erschien ich eher leger angezogen und war leicht besorgt, ob vielleicht doch zu casual für ein Zwei-Sterne-Restaurant. Unbegründeterweise, denn der Berliner Dresscode für solche Gelegenheiten scheint aus kurzer Hose, T-Shirt und Turnschuhen zu bestehen, zumindest mittags.
Nach dem Gruß aus der Küche (also mehrere, die ich jedoch nicht mehr alle zusammen bekomme: Gurke mit Knoblauch, exzellente hauchdünne Schweinebauchscheiben, Cashewkerne mit Curry etc.) folgten Makrele mit Shiso und Ponzu, und Kopfsalat mit Mitsuba und Yuzu. Mitsuba ist ein japanisches Kraut.
Ponzu ist eine klassische japanische Sauce aus Sojasauce, Essig, Mirin und Zitrussaft, hier vermutlich Yuzu. Und noch irgendein Raue-Trick, denn das war ausgesprochen Umami. Die Makrele kaltgeräuchert und leicht angegart – perfekt.
Der Kopfsalat war genau dieses, allerdings mit einem sehr guten, leicht säuerlichem Dressing. Trotzdem nicht ganz mein Geschmack, aber ich hatte es ja auch nicht bestellt.
Als zweiter Gang Dim Sum in Hühnerbrühe mit Jakobsmuschel und Bambuspilz, und Kalb mit Erbse und 10 Jahre gereifter Kamebishi-Sojasauce.
Der Dim-Sum-Teig bestand statt aus Mehl aus dem Pilz an sich – ungewöhnlich.
Die Füllung aus Hühnerfleisch und Jakobsmuschel würzig und aromatisch, leicht scharf. Die Hühnerbrühe war mit Limettenzesten aromatisiert, köstlich.
Das geschmorte Kalbfleisch butterzart, das darunter befindliche Erbsenpüree genial kombiniert mit einem Apfelgelee.
Dritter Gang die Pekingente Interpretation Tim Raue, und Spanferkel mit Dashi und japanischem Senf.
Spanferkel als Eisbein serviert, kross und zart zugleich, dazu Dashigelee-Tupfen und eingelegter Ingwer. Und Senf. Berlin trifft Japan. Hammer.
Die Pekingente wird auf drei Tellern serviert, die man in folgender Reihenfolge essen sollte: Erst die Streifen von der Entenbrust mit knuspriger Haut, dann eine Entenleber-Mousse und zum Schluss eine Brühe mit Entenzunge, Herz und Magen.
Klingt wild und war es auch, aber geschmacklich fantastisch.
An dieser Stelle kommt der Sommelier ins Spiel, nebenbei der einzige Mann im Restaurant mit Anzug. Aber keineswegs von der leicht versnobten, allwissenden Sorte, wie man sie leider manchmal findet, sondern angenehm entspannt, routiniert und immer einen Alternativvorschlag parat habend. Lob.
Denn seine Empfehlung war der außergewöhnlichste Wein des Tages, wenn nicht der ganzen Woche in Berlin: Ein 1988er Rivesaltes Ambré 28 ans von der Domaine de la Rectoire Parcé Frères, Banyuls. Und dessen Edelsüße passte wie gemalt zu den Aromen der Ente.
Eigentlich nur drei Gänge bestellt, weil beide keine großen Süßmäuler, aber nach diesem Feuerwerk durfte es dann doch ein Dessert sein.
Kalapaia-Schokolade mit Birne und Koji, nebst dem Yuzu Cheesecake mit Caramel beurre salé.
Die Schokolade herrlich bitter, die Birnenstückchen perfekt dazu passend, alles kunstvoll, wenn nicht aufwändigst arrangiert. Wo sich der Koji, ein Schimmelpilz, der zur Fermentierung von Sojabohnen (woraus dann Sojasauce hergestellt wird) benutzt wird, nun befand, wurde mir nicht ganz klar. Vermutlich in der Sauce zum Eis aus Topinambur. Komplizierte Nachspeise, auch kompliziert zu verstehen, aber ganz schnell weggeputzt.
In einer Karpfenform wurde Schokolade erkalten lassen, so kommt ein fischförmiges Dessert auf den Tisch. Darin der Käsekuchen als Mousse, dazu ein Sorbet, Yuzu separat als Gelee. Süß, aber zauberhaft.
Fazit: Selbst mittags nicht ganz billig. Jeden Cent wert.