Perugia 2020

Nach Parma ging es im Oktober weiter zu einem Kontrollbesuch in Perugia.

Welche Geschäfte, Bars und Restaurants haben den harten (ersten) Lockdown Italiens überlebt?

(Im Grunde meines Herzens will ich dieses Juwel Mittelitaliens eigentlich für mich behalten. Meins, ganz allein. Auf gar keinen Fall soll die Stadt so unter Overtourism leiden wie Florenz oder Venedig. Aber dafür liegt sie glücklicherweise zu abgelegen. Und die Geschäfte und die Gastronomie leiden. Also fahrt irgendwann wieder hin, es lohnt sich. Aber bleibt für mehr als einen Tag.)
 

Treppe an der Porta Sole
Maestà delle Volte
Maestà delle Volte

Die erste gute Nachricht: Remigio verströmt in seinem Tempel (Il Tempio) weiterhin gute Laune und guten Wein!

Der Name geht zurück auf eine sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Rundkirche aus dem 6. Jahrhundert, auf den Grundmauern eines römischen oder sogar etruskischen Tempels erbaut. Im Innern gibt es ein geheimnisumwittertes Pentagramm auf dem Boden, und die Kirche soll außerdem auf einer Linie entlang der Erdoberfläche liegen, auf welcher der letzte Sonnenstrahl bei Sonnenuntergang zur Sommersonnenwende vorbeigeht.

Damit ist der Tempel in Perugia gut aufgehoben, denn hier laufen so einige, manchmal auch recht wirre, Linien zusammen. Wie man an gleich mehreren esoterischen Buchläden erkennen kann…

Tempio di Sant’Angelo

Nebenan ein alter Stadttorturm mit einem Museum historischer Instrumente

und einer Dachterrasse mit großartigem Ausblick. Allerdings äußerst erratische Öffnungszeiten, wird von privaten Enthusiasten betrieben, Eintritt kostenlos, Spenden willkommen.

 

Auch die Osteria dei Priori war in vollem maskierten Betrieb, weiterhin feine, traditionelle umbrische Gerichte auf höchstem Niveau. Und, selbstverständlich, ein Sagrantino di Montefalco zum Niederknien.

Agnolotti ripieni di brasato, alla cipolla rossa di Cannara

Das altehrwürdige Caffè Sandri hat leider nach dem ersten Lockdown nicht wieder geöffnet, Zukunft ungewiss.

Ebenfalls geöffnet war der hübsche kleine Garten in der Nähe der Ausländeruniversität, Il Giardino, diesmal mit leider nicht so hübschem Zelt. Aber dadurch konnte er die Saison verlängern, normalerweise ist nämlich Ende September Schluss. Küchenleistung wieder überraschend hochklassig, insbesondere wenn man die winzige Küche sieht.

Getrüffelte Carbonara mit ungesüßter Zabaione, und ein ausgezeichnetes Thunfisch-Tataki und -Tatar, ein gebratener Friggitello (wie die spanischen Bratpaprika) und süßsaure Zwiebeln.

Im Sommer auch öfter Freiluftkonzerte.

Moment, Zwiebeln?

Ja!

Endlich war auch die richtige Jahreszeit für Zwiebeln aus Cannara!
Gibt sie in weiß und rot.

Cipolle di Cannara

Für Adepten des Craftbeer-Hypes noch eine exquisite Adresse: Kosmo.
Ein paar Biere gezapft, und dazu noch Hunderte Flaschenbiere, viele aus Italien, aber auch aus aller Welt.

Das Ristorante Luce war auch auf, habe ich diesmal leider nicht geschafft.

Dafür noch eine kleine Neuentdeckung, eine sympathische Weinbar namens Zenoteca am Beginn des Corso Cavour.

Quasi nebenan Paradiso 518, hier das Ladengeschäft, ein paar Schritte weiter der Ende der Woche geöffnete Kiosk Edicola 518, der es bis in die Financial Times geschafft hat.

Eklektische Auswahl an internationalen und italienischen Zeitschriften und Magazinen, von Inneneinrichtung und Design über Lifestyle, Kunst, Musik, Fotografie, Kochen, bis hin zu Politik, inklusive einer hübschen Kollektion anarchistischer Zeitungen.

Eine weitere Weinbar mit hervorragenden lokalen und anderen Weinen (toller Trebbiano Spoletino) hieß früher „Frittole“, und hat sich umbenannt in „La Moglie Ubriaca“ („die betrunkene Ehefrau“). Denn Ahnung von Wein hat Sara definitiv.

Der Club Marla hat einen neuen Besitzer, Marco hat aus familiären Gründen den Laden an den Betreiber einer anderen Bar ganz in der Nähe abgeben. Eventuell ein guter Zeitpunkt…

Während meines Besuches noch geschlossen wegen eines Wasserschadens.

Ob die neue Leitung noch dieses Händchen für bekannte und unbekannte Liveacts haben wird?

Kleine Erinnerung an eine spontane Jamsession des Hammond-Orgelvirtuosen Cory Henry während des Umbria Jazz 2016, hier ohne Orgel (nachdem seine Sängerin am Abend vorher schon dort auftrat, und wohl Gutes über die Stimmung zu berichten wusste – der Autor dieser Zeilen irgendwo verschwommen im Hintergrund).

Der Friedhof ist ebenfalls sehenswert. Die wohlhabenderen Familien Perugias

haben recht beeindruckende Grabstätten errichten lassen. Diesmal kein Brutalismus, sondern eher Neoklassizismus, italienischer Jugendstil (Liberty), und, ähm, Neuägyptischer Stil.

Bei Isis und Osiris!

 

Das Wetter lockte diesmal auch in einige Museen, beim Betreten derer sämtlicher ich wieder über den aktuellen Stand meiner Körpertemperatur unterrichtet wurde.

So z.B. die Galleria Nazionale dell’Umbria im (selber beeindruckenden) Palazzo dei Priori, mit Gemälden der italienischen Renaissance von Perugino, Pintoricchio, Fra Angelico und vielen mehr.

Benedetto Bonfigli – Annunciazione

In dessen dazugehörigen Museumsbuchladen suchte ich nach dem längst vergriffenen Bildband zu der Ausstellung eines berühmten amerikanischen Fotografen, „Sensational Umbria“, und fragte die freundliche junge Dame an der Kasse danach. Den Namen der Ausstellung wusste ich nicht mehr, aber mehr als „es gibt ein Buch von einem amerikanischen Fotografen…“ brachte ich auch nicht heraus, bevor sie, wie aus der Pistole geschossen sagte: „Steve McCurry!! Ein Foto von mir ist in dem Buch!“

So klein ist Perugia, äh die Welt manchmal…

Leider hatte nicht einmal sie ein Exemplar.

Der Palazzo della Penna, eine alte Familienresidenz mit wechselnden Ausstellungen teilweise schwerst moderner Kunst, und einer Dauerausstellung der umbrischen Futuristen mit dem Schwerpunkt auf den aus Perugia stammenden Gerardo Dottori.

 
Im Erdgeschoss die konservierte Erinnerung an den Besuch von Joseph Beuys in Perugia 1980.  

Dito einen Abstecher wert: Das Archäologische Nationalmuseum Umbrien (36,8°C) im ehemaligem Kloster San Domenico. Mit einer bedeutenden Sammlung etruskischer, umbrischer und römischer Fundstücke.

Glasschalen der Umbrer, aus Todi, etwa 300 v.Chr.

Apropos Etrusker.

Hatte ich eigentlich die Rolltreppen schon erwähnt ? Führen durch die Rocca Paolina (Festung des Paulus), an etruskischen Ausgrabungen und moderner Kunst vorbei, u.a. von Alberto Burri.

Skulptur von Paolo Ballerani

Die Festung wurde von Papst Paul III., Alessandro Farnese, nachdem seine Truppen Perugia 1540 erobert hatten, auf den zugeschütteten Resten der zerstörten Stadt erbaut, ein weithin sichtbares Zeichen seiner Macht.

Der fiese Pope hatte eine neue Steuer eingeführt, die Salzsteuer. Die schlauen Florentiner sagten sich, nun gut Papst, mach halt, und buken ihr Brot fortan ohne Salz, übrigens bis heute.

Die stolzen Perugini hingegen widersetzten sich dem Papst und der Steuer.
Tja.
Perugia blieb danach für über 300 Jahre Teil des Kirchenstaates.

Mit dessen Ende 1861 und der Gründung des Königreichs Italien wurden Teile der Festung abgerissen.

1932 begann man damit die unter der Festung liegende Stadt wieder auszugraben, eine Arbeit die sich bis 1965 hinzog, 1983 wurden dann die ersten Rolltreppen (scale mobili) eröffnet (ab Minute 10:55)

Mit den Rolltreppen durchquert man die Rocca Paolina von unten gelegenen Parkplätzen und dem Busbahnhof hinauf in die Altstadt, durch eine unterirdische, fast komplett erhaltene Stadt aus dem 16. Jahrhundert. Gut, auch oberirdisch hat sich an etlichen Stellen Perugias seit 400 Jahren nicht viel verändert, aber das ist schon etwas besonderes.

Zu guter Letzt ein Ausflug nach Gubbio, der schönsten Terrasse Umbriens.

Piazza Grande, Gubbio
Palazzo dei Consoli
 

Klitzekleines bisschen touristisch, aber trotzdem bezaubernd.

 

Enoteca Il Tempio
Viale Zefferino Faina 50

San Michele Arcangelo (Tempio di Sant’Angelo)
Via del Tempio

Museum historischer Musikinstrumente (Arte e Musica del Perugino)
Cassero di Porta Sant’Angelo
Corso Garibaldi – letztes Gebäude

Osteria a Priori 
Via dei Priori 39

Il Giardino 
Via dei Pellari

Kosmo
Piazza Danti 17

Zenoteca 
Via Podiani 14

La Moglie Ubriaca
Via Alessi 30

Paradiso/Edicola 518
Corso Cavour 9

Marla
Via Bartolo 9-11

Cimitero monumentale di Perugia (Friedhof)
Via Enrico dal Pozzo 144

Galleria Nazionale dell’Umbria 
Palazzo dei Priori
Corso Vannucci 19

Palazzo della Penna
Via Prospero Podiani 11

Museo Archeologico Nazionale dell’Umbria (M.A.N.U.)
Corso Cavour, Piazza Giordano Bruno 10

Rocca Paolina
nördlicher Eingang von der Piazza Italia
südlicher Eingang über die Via Luigi Masi

Parma, Emilia Romagna

Palazzo della Pilotta

Schon der Name der Stadt steht für gastronomische Köstlichkeiten, Parmaschinken, Parmesan, und auch wenn die berühmte Parmigiana (ein Auflauf mit Auberginen, manchmal Zucchini) wahrscheinlich aus Neapel oder Sizilien stammt, bedeutet „alla parmigiana“ doch „auf Parma-Art“. Die Region Emilia-Romagna ist ohnehin verwöhnt mit Spezialitäten wie Mortadella, Aceto balsamico, Culatello etc.

So ist es kein Wunder, dass die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit, Efsa, ihren Sitz in Parma hat. Ebenfalls gibt es ganz in der Nähe die hoch angesehene International School of Italian Cuisine, ALMA, deren erster Rektor Gualtiero Marchesi war, welcher als Begründer der modernen italienischen Küche gilt.

Und die Universität von Parma bietet einen dreijährigen Studiengang in „Scienze Gastronomiche“ an, der alles Wissenswerte rund um Lebensmittel beinhaltet (Gastro-Tourismus, Herstellung, Vertrieb usw.).

Parma beherbergt den größten Pastahersteller der Welt, die Firma Barilla.
Und Mutti, Tomateneindoser und Erfinder der Tomatenmarktube.

Außerdem ist die Stadt italienische Kulturhauptstadt 2020, dieses Event hat allerdings unter den Corona-Einschränkungen leiden müssen.

Genug Gründe also für einen kleinen kulinarischen Abstecher Anfang Oktober, als zwar in Italien in allen öffentlichen Gebäuden Fieber gemessen wurde und Desinfektionsspender allgegenwärtig waren, die Pandemie aber, aus aktueller Sicht, eine kleine Pause einlegte.

Wenn auch das berühmteste Produkt Parmas aus Schweinen hergestellt wird, haben die Parmigiani jedoch noch eine andere Leibspeise, von einem anderen Tier. Diese kurz vor der Wiedereröffnung stehende alte Metzgerei gibt einen dezenten Hinweis darauf, um welches Tier es sich handelt:

Anica Macelleria
Alle Pferdeliebhaber aufgepasst

Daraus zubereitet wird das Pesto di Cavallo, ein Tatar aus Pferdefleisch, im parmenser Dialekt Caval pist genannt. Und ist tatsächlich auf so ziemlich jeder Speisekarte zu finden.

Hier sehr puristisch serviert in der Osteria Rangon, einem Lokal mit bodenständiger, traditioneller Küche.

Caval pist

Danach noch eine Portion Pasta, die ebenfalls für die Region typischen Tortelli d’erbette, Nudeln gefüllt mit jungem Mangold, Parmesan und Ricotta, serviert mit zerlassener Butter und geriebenem Parmesan, e basta.

Die Osteria war ein Tipp von Giorgia, der bezaubernden Vermieterin meiner nicht minder entzückenden Wohnung, zentral gelegen, geschmackvoll, aber behutsam renoviert. Neues erschaffen, Altes bewahren.

Die Osteria Rangon liegt im Borgo delle Colonne, einer hübschen Straße mit Arkadengängen. Rund um diese Gegend, auf der Rückseite der Kathedrale gelegen, haben sich so einige schöne Bars und Restaurants angesiedelt.

 

Freiluftbar

So, denke ich, erklärt sich auch der Name dieser quirligen Bar, Canaglie del Naviglio (nennen wir es freundlich „Schurken“ des Kanals), eine kleine Anspielung auf das berühmte Ausgehviertel Mailands, die Navigli.

Nächster Abend:

Ins Cortex Bistrot.

Cortex

Ein weiterer Tipp Giorgias, und zwar ein ganz ausgezeichneter!

Ich bestellte à la carte, denn erfreulicherweise wurden alle Gerichte auch in kleinen Portionen angeboten.

Zur Begrüßung eine Praline aus Kakaobutter mit Baba Ganoush (arabisches Auberginenpüree), Gazpacho  und einem Zwiebelöl (Olio di cipolline klingt irgendwie hübscher) mit Basilikum.

Aufregender Start!

Dann eine Portion Parmaschinken, Prosciutto crudo di Sant‘ Ilario, 30 Monate gereift, serviert mit einem Chutney. Einzigartige Qualität ohne Ablenkungen, über das perfekte Alter eines Parmaschinkens sollte ich später noch mehr lernen.

Nun ein pochiertes Ei auf einer Pappa al pomodoro (eine feste Tomatensuppe, siehe Perugia) versteckt unter einer Schicht aus Bàgoss-Käse (ein kräftiger Hartkäse mit Safran(!) vom Lago d’Idro) und Buttermilch, gewürzt mit scharfem Paprikapulver.

Ungewohnte Kombinationen, doch wenn man durch die weiße Buttermilch-Käse-Masse zum tomatigen Grunde vordrang, und alles zusammen auf dem Löffel verzehrte, verstummte jeglicher Zweifel.

Die Stimmung stieg, nicht nur durch den Wein, und das Risotto mit Riso Nero Venere, Gambero crudo, Garnelenpulver, Knoblauchcreme und Salbei markierte den Höhepunkt des Abends.

Riso Venere

Farblich nicht besonders schön, auch das Garnelenpulver auf dem Tellerrand als Deko eher irritierend. Geschmacklich aber überzeugend!

Die sanfte Meeresbrise der rohen Garnelen, kombiniert mit den dunklen, erdigen Aromen des schwarzen Reises, der auf den Punkt gegart war (und das ist alles andere als einfach!) verführten mich dazu „das Schühchen zu machen“ (fare la scarpetta – die italienische Redewendung für das begeisterte Aufwischen der Sauce mit Brot).

la scarpetta

Statt Dessert noch einen Tatar (diesmal vom Rind) mit Pane carasau (dünnes, knuspriges sardisches Fladenbrot), Sommertrüffeln und gerösteten Haselnüssen.

Hervorragend. Und auch der beste Gang, wenn da nicht diese rohen Garnelen mit schwarzem Reis gewesen wären…

Ein wunderbarer Abend, eine charmante Bedienung und ein vorzügliches Essen.

Preise moderat, tolle Weine.

Im Cortex wird der manchmal etwas zu sehr in der Tradition verhafteten italienischen Küche gekonnt und inspiriert auf die Sprünge geholfen.

 

Tags darauf ein Ausflug.

Es werden so einige Touren angeboten, um die Produzenten von Parmesan, Culatello di Zibello (auch ein Schinken), Balsamicoessig und der Salame di Felino (keine Angst, diese Wurst ist nicht von der Katze, sondern aus dem Ort namens Felino) zu besichtigen, allein es fehlte die Zeit.

Doch wollte ich Parma nicht verlassen, ohne dem berühmten Schinken und dem Divin Porcello, dem göttlichen Schwein(chen), gehuldigt zu haben!

Also auf nach Langhirano, dem Hauptort der Herstellung. Nur aus dem kleinen Gebiet rund um den Ort, zwischen den Flüssen Enza und Stirone, kommt die gesamte Produktion des Parmaschinkens auf der Welt.

Ich darf an dieser Stelle die blumigen Ausschmückungen des Consorzio di Parma zitieren:

Hier herrschen klimatische Bedingungen, die ideal sind für das natürliche Lufttrocknen der Schinken. Der Seewind der Versilia streift, nachdem er das Aroma der Pinienwälder aufgenommen hat, gegen die Karstberge der Cisa, verliert dabei seinen salzigen Geschmack und bläst anschließend durch die Kastanienwälder. Die Luft wird trocken und ist ideal für die Reifung des Prosciutto di Parma.“

Um jährlich 9 Millionen Schinken herzustellen braucht es 4,5 Millionen Schweine, und für die Zucht all dieser ist die Gegend zu klein. Die Schweine stammen daher aus ganz Italien, nein, nicht ganz Italien, sondern aus 10 festgelegten Provinzen: Der Emilia-Romagna, Venetien, Lombardei, Piemont, Molise, Umbrien, Toskana, Marken, Abruzzen und Latium.

Die Familie Lanfranchi von der Salumificio La Perla ist einer dieser Produzenten, Tochter Silvia kümmert sich um das Marketing und begrüßte uns zur Führung durch den Betrieb.

Die Schweinekeulen werden mit Salz eingerieben, reinem Meersalz, kein Nitritpökelsalz, keine Farbstoffe, worauf man nicht ohne einen gewissen Stolz hinwies, die Schwarte mit feuchtem, die Muskelteile mit trockenem Salz.

Parmaschinken La Perla

Die Schinken reifen nun in verschiedenen Kühlräumen mit kontrollierter Luftfeuchtigkeit, je nach Alter geht es dann in den nächsten Kühlraum.

Das riecht man.

Der Geruch ist ohnehin atemberaubend, aber tatsächlich riecht es in jedem Raum unterschiedlich, abhängig vom Reifegrad.

Nach 70 Tagen wird das Salz entfernt und die Schinken trocknen an der Luft, Luftstrom und Luftfeuchtigkeit genauestens gesteuert, versteht sich.

Einen weiteren Monat später werden die Muskelpartien mit einer Schutzschicht aus Reismehl, Pfeffer und Schmalz eingerieben, um ein zu schnelles Austrocknen zu verhindern.

Nach mindestens 12 Monaten ist der Schinken dann soweit, und wird mithilfe eines Pferdeknochens auf einwandfreien Geruch überprüft. Pferdeknochen deshalb, weil diese porös sind und der an ihnen haftende Geruch schnell verfliegt, so kann es zügig weiter zum nächsten Schinken gehen (und an Pferdeknochen herrscht kein Mangel, siehe weiter oben).

Schinken mit Fehlern, sei es Geruch, Schimmel oder sonstigem Makel werden kompromisslos aussortiert und verbrannt.

Erst dann wird dem Parmaschinken sein Gütesiegel, die Krone der Herzöge von Parma eingebrannt.

Aus 15 Kilo Anfangsgewicht sind bis dahin etwa zehn geworden.

Zum Abschluss des Besuches gab es (an weit auseinander stehenden Tischen…) noch ein Glas trockenen Malvasia, ein wenig Parmesan und eine Portion 14 Monate alten Schinkens, was auch, nach Silvias Meinung, die perfekte Reifedauer sei. Ältere Schinken wären zwar auch gut, aber halt schon ganz anders im Geschmack. Und jünger als 12 Monate geht ja sowieso nicht. Merke ich mir mal und teste.

Zurück in der Stadt noch ein wenig gebummelt, und nicht ganz zufällig, an der Coltelleria Righi vorbeigekommen. Ein Küchenladen mit dem Schwerpunkt auf hochwertigen Messern (coltello=Messer). Doch fatalerweise lag da noch etwas ganz anderes im Schaufenster:

Ein Steintopf. Hätte dableiben dürfen, wäre ich geflogen. Doch unverhofft klimabewusst bin ich mit dem Zug gereist, und so wurden die Rollen des Koffers einem beachtlichen Materialtest ausgesetzt.

Denn der Topf ist schwer.

Zum Schmoren, Erfahrungsberichte folgen.

Des späteren Abends in die versteckt liegende Jolly Roger Cocktailbar. Versteckt? Ja, das alte Spiel mit der Klingel, um Einlass zu erhalten.

Ein wenig britischer Landhaus-Stil, gemütlich, kompetent und freundlich.

Cagliastro Cocktail

Am letzten Tag umhergestreift, italienische Hemden bei Vitali gekauft, reichlich caffè getrunken und die Seele baumeln lassen.

Italienisches Frühstück

Am Abend in das besternte Ristorante Parizzi, doch dazu ein eigener Bericht.

Abschließend möchte ich sagen: Parma hat sich von seiner besten Seite gezeigt, und hier ist mit Sicherheit noch so einiges zu entdecken, nicht nur kulinarisch, sondern auch in Kunst und Kultur. Von Dom, Baptisterium, Santa Maria della Steccata, Teatro Regio und all der anderen Belle arti habe ich ja noch gar nicht gesprochen. Wiederkommen ist vorgemerkt.

Löwenköpfe, drei

 

L’Antica Macelleria di Parma
Via dei Farnese 3C

Osteria Rangon
Borgo delle Colonne 26

Canaglie del Naviglio
Borgo delle Colonne 40B

Cortex Bistrot
Borgo del Correggio 20B

Coltelleria Righi
Strada della Repubblica 106

Jolly Roger Speakeasy
Strada Agli Ospizi Civili 6

Salumificio La Perla
Strada Quinzano Sotto 10, 43013 Langhirano

 

se po a magn ‘na bocäda,
a sént profumm e savór
che i m’ricordon la gioventù,
cuand la mizérja l’éra la me compagna
e la me ómbra l’era la fama.

Tutt ‘sti ricord i m’én tornè in mént
cuand, cuäzi par cäz, a m’són fermè
a l’ostaria Rangon, in pjazäl San Loréns.
L’é stè un bél momént:
fortuné d’ésrogh capité.

Ausschnitt aus dem Gedicht von Umberto Ceci, „’n‘ ostaria“, im Dialekt Parmas.

wenn wenig Essen war, ein Mundvoll nur
an hundert Gerüchen und Geschmäckern
wie ich erinnere die Jugend,
als das Elend war meine Begleiterin
und mein Schatten war der Hunger

all dies‘ Erinnerung, die mir sind zurück in Sinn
wann nur der Zufall mich einkehren ließ
bei der Osteria Rangon, an der Piazza San Lorenz‘.
Dies war ein herrlicher Moment:
glücklich ist es mir geschehen.