Mannheim

„In Mannheim weint man zweimal:
Einmal, wenn man kommt, und einmal, wenn man geht.“ (Chris Cosmo)

 

Mannheim Collini-Center
Neckar mit Collini-Center

Am letzten Wochenende vor dem Lockdown, Ende Oktober, ging es nach Mannheim.
Eine ideale Planstadt des Barock, aufgeteilt in die berühmten Quadrate.

Berüchtigt für seinen Dialekt, früher von Joy Fleming gesungen, heute übernimmt die Idiomerhaltung Bülent Ceylan.

Ein wahrer Melting Pot, die Bewohner stammen aus 166 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, da kann sich New York warm anziehen.

Was wurde hier nicht alles erfunden, Carl Benz erfand das Automobil, Karl von Drais das Fahrrad, und Dario Fontanella das Spaghetti-Eis.

In Mannheim hat nun tatsächlich der Zweite Weltkrieg die größten baulichen Schäden verursacht, und nicht, wie in manch anderer Stadt der Bundesrepublik, die Städteplaner der Fünfziger- und Sechzigerjahre.

Nur, wie wurde es wieder aufgebaut?

Sagen wir es so: Meine Lust am Brutalismus wurde befriedigt.

Ja, natürlich gibt es da noch das Barockschloss, das war aber schon in Corona-Starre und geschlossen.

Oben auf dem Bild das Collini-Center. Der verhüllte Büroturm rechts wird demnächst abgerissen, mit ihm ein herrliches Siebziger-Interieur der „Galerie“, einer Einkaufspassage.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Neckars die NUB, die Neckaruferbebauung Nord.

Mannheim Neckaruferbebauung

Mannheim Alte Feuerwache
Alte Feuerwache

Von den geplanten vier Türmen wurden nur drei gebaut, nur dadurch entging die Alte Feuerwache dem Abriss. 1980 doch wahrhaftig mit dem Preis des Bundes Deutscher Architekten im Wettbewerb „Wohnen in städtebaulicher Verdichtung“ ausgezeichnet.

Mannheim Neckarhochhaus

Abends in den Familienbetrieb, eine nette studentische Gaststätte, die Wert auf die Herkunft ihrer Fleischprodukte legt, aber auch vegetarische und vegane Gerichte anbietet, inklusive einer veganen Mayonnaise (brrr!).

Für mich bitte eine sehr leckere Gulaschsuppe und einen ebenfalls sehr guten Hamburger, ohne Mayo.

Kein Barbesuch wegen Sperrstunde…

Auch aus der Hotelbar wurden wir dann pünktlich um 23 Uhr rausgekehrt, und haben den Abend mit zwei Gläsern Crémant auf dem Zimmer ausklingen lassen.

Am nächsten Morgen zum Frühstück in Die Metzgerei, Weinbar, Bistro und Frühstückscafè.

Was haben sich die Gastronomen für eine Mühe gemacht, die Anzahl der Tische verringert, Plexisglaswände zwischen die verbliebenen gestellt, Desinfektionspender überall. Wie wir heute wissen leider nutzlos (Die Metzgerei bietet Essen zum Mitnehmen an).

Die auf Etageren servierten Frühstücke sind thematisch aufgebaut, vom „Strandfeeling auf Helgoland“ mit Lachs und Garnelen, bis zur „Freiheitsstatue in New York“ (Pancakes).

Die Wahl fiel auf Schiefer Turm und Eiffelturm.

Mannheim Metzgerei Frühstück

Frisch gestärkt ein Besuch des Wochenmarktes auf dem Marktplatz, viele Stände mit Erzeugern.

Diese nette Dame verkaufte uneingelegte Oliven, etwas bitter, aber sehr schmackhaft. Und gab uns noch einen prima Tipp zur Zubereitung dazu.

Später dann, auf dem Weg zu zwei Vintagemöbel Läden, ein Fundstück aus dem Skurrilitätenkabinett:

Die Corona-Bar, eine griechische Kneipe mit, sagen wir einer gewissen Bodenständigkeit.

Wenn deine Bierbestellung der jungen Bedienung von anderen Gästen übersetzt werden muss, fühlt es sich fast wie Urlaub im Ausland an!

Der erste Möbelladen war Conny Kern in der Laurentiusstraße.

Conny legt den Schwerpunkt auf Möbel aus den Sechzigern und Siebzigern, viele schöne Lampen, und ihr Partner hat eine große Sammlung an Hifi-Geräten aus dieser Zeit angehäuft, inklusive Reparaturservice.

Der Fröhlichladen in der Fröhlichstraße bietet einen etwas umfassenderen Stilmix in einem alten Backsteingebäude mit hübschem Hof.

Normalerweise ist in solchen Etablissements die Ehefrau für das Geldausgeben zuständig, dieses Mal ist jedoch mir ein Objekt aufgefallen, das nicht dort bleiben durfte.

Eine Werkbank/Arbeitstisch aus Frankreich, der, nachdem er jahrzehntelang von einer Brombeerhecke überwuchert wurde, nun die richtige Patina hat.

Fröhlicher Tisch

Ab dem Frühling wird er bestimmt öfter als Fotountergrund auftauchen – ohne Hipsterdeko.

Noch so ein Relikt aus der Vergangenheit: Das Café Mohrenköpfle. Karottenkuchen, Sahnetorten und Mannemer Dreck (ein Makronengebäck mit Marzipan).

Café Mohrenköpfle

Auch sie blieben nicht von der Sprachpolizei verschont, mit der sich so manche Mohrenapotheke in Deutschland inzwischen herumschlagen muss. Oder der Mainzer Dachdecker Thomas Neger, Enkel der Karnevalslegende Ernst Neger, des „singenden Dachdeckers“.

Das Kulturzentrum Capitol, ein paar Schritte entfernt vom Mohrenköpfle, hat seine alte Sarotti-Mohr-Werbung inzwischen im Christo-Stil umhüllt.

Zum Abendessen in das Restaurant Emma Wolf, dem heimlichen Ziel der Reise, dazu ein eigener Artikel.

Abschließend kann man sagen, schön war’s. Mannheim präsentierte sich, nun, etwas ungeschliffen und rau, aber sehr charmant.

Und wie ist das nun mit dem Dialekt? Hier eine Kostprobe, diesmal nicht gesprochen von Bülent, sondern von der Mannheimer Boxlegende Charly Graf, genannt „Ali von Waldhof“.

In dieser Trouvaille aus den Siebzigern außerdem anschauliche Beispiele für beileibe nicht verschwunden Alltagsrassismus (auch ohne Mohr). Drehort waren übrigens die im prekären Fernsehen wieder topaktuellen Benz-Baracken.

 

Familienbetrieb
M2 12

Die Metzgerei
Rheinparkstraße 4

Conni Kern
Laurentiusstraße 26

Fröhlichladen
Fröhlichstraße 63

Café Mohrenköpfle
Mittelstraße 11

 

Saarbrücken

Saarimini
Saarimini

Obwohl ein altes Vorurteil behauptet, das beschauliche Saarland würde in den deutschen Medien nur als Flächenmaß auftauchen („In Südostaustralien wütet ein Waldbrand von der Größe des Saarlands…“), hat es doch kulinarisch einiges zu bieten. Begünstigt durch die Nähe zu Frankreich wird das Genießen groß geschrieben, so auch verinnerlicht im inoffiziellen Landesmotto:

„Hauptsach‘ gudd gess‘. Geschafft hann mir schnell.“

Gute Gründe also für einen Abstecher in die Hauptstadt, nach Saarbrücken.

Studenten dürfen sich im Brutalismus aalen

Universität des Saarlandes

und laben, die ikonische Mensa von Walter Schrempf und Otto H.Hajek war für mich mit Coronabeschränkungen und ohne Studentenausweis leider nicht zugänglich.

 

Beim Bummel durch die Innenstadt, bzw. den beiden Ausgehvierteln Sankt Johann und dem Nauwieser Viertel, aufgefallen:

The Broom

Kleiner, aber feiner Laden mit schönem Geschirr.

Reiseck

Verkauft Onigiri. Onigiri sind Reisbällchen, eingewickelt in ein Algenblatt, mit unterschiedlicher Füllung (Fisch, Avocado, Pilze, Gurke etc.). Ursprünglich eine Resteverwertung, haben sich Onigiri zu einem beliebten japanischen Snack und Fast Food entwickelt, ähnlich den sizilianischen Arancini, aber nicht frittiert.

Außerdem ein wenig japanisches Geschirr und Spezialitäten im Angebot. Originär aus Saarbrücken, inzwischen zu einer kleinen Kette mit drei weiteren Filialen in Trier, Frankfurt und Aachen angewachsen.

Casa Mada

Spanischer Weinladen mit Delikatessen. Freundliche Inhaber, mit der Möglichkeit auch ein Glas zu trinken, Tapas auf Vorbestellung.

Im Sommer genießen die Saarbrücker den Biergarten Am Staden und die Wiesen am Saarufer.

Ach ja, und ein modernes Museum, die Moderne Galerie, deren Erweiterungsbau für einigen Wirbel gesorgt hat. Auszüge aus der diesbezüglichen Debatte im Landtag sind auf dem Boden vor dem Museum verewigt.

Schöne Sammlung mit Gemälden und Skulpturen des 20. Jahrhunderts, Beckmann, Kirchner, Picasso, Archipenko.

Abends zum Essen ins

Le Comptoir

Patron Jens Jakob hat nach verschiedenen Stationen in der Gastronomie, unter anderem bei Klaus Erfort, mit dem eigenen Restaurant „Le Noir“ in Saarbrücken zwei Michelin-Sterne erkocht.

Doch der Erfolg bei den Kritikern bleibt ohne wirtschaftlichen Erfolg, und so muss er das Restaurant nach knapp 10 Jahren schließen. Auch ein Neustart unter anderem Namen „Jens Jakob Das Restaurant“ scheitert, worüber er auch ganz offen spricht.

So schnell aber gibt der Mann nicht auf, und seit Ende 2018 betreibt er das „Le Comptoir“ in der Försterstraße, zu deutsch: die Theke. Und ebendiese ist auch der Blickfang in der geschmackvoll renovierten ehemaligen Bäckerei, außer den Sitzplätzen dort gibt es nur noch vier Tische. Und auch das Personal ist reduziert, statt früher 39 Angestellten sind es im Le Comptoir nur noch drei, die Köche David Christian und Peter Wirbel, beide früher auch im Le Noir tätig, und Jens Jakob selbst.

Serviert wird über die Theke, das ist gemütlich und entspannt, und Jakob erklärt jeden Gang kompetent und detailliert.

Fünf Gänge zu 74 Euro, Weinbegleitung 38 Euro.

Als Gruß aus der Küche ein Tatar mit Senf und Pumpernickel, dazu ein Buttermilch-Shot mit Charentais-Melone, obenauf scharf gewürzte Mandelblättchen. Das ließ sich gut an.

Der erste Gang ein Baumkuchen mit Entenstopfleber, serviert mit einem Pfirsich-Lavendel-Kompott, dazu ein Eis von der Stopfleber, welches mit demi-glace, Glukose und Sahne zubereitet sehr angenehm und gar nicht mächtig war (was man bei dem Gedanken an ein Lebereis durchaus vermuten könnte).

Hier sah man das erlernte Handwerk aufblitzen, der Baumkuchen perfekt, und ein optional angebotener Roumieux 2016 bestätigte die Erfahrung, dass Stopfleber und Sauternes ein kongeniales Duo sind.

Danach folgte, serviert mit den Worten “Warum nicht mal ein Hamburger?“, ein ebensolcher mit dem Fleisch von der Königskrabbe, Coleslaw, Koriander und einer prima Mango-Mayonnaise.

Guter Saar-Riesling von Claudia Loch aus Schoben dazu. Der Gang hat mich dennoch nicht so angesprochen wie der vorherige, und mir stellte sich die naheliegende Frage „Warum eigentlich ein Hamburger?“.

Die hausgemachten Gnocchi mit einer Burratacreme und Minze auf einem herrlich intensiven Tomatensugo mit Knoblauch versöhnten mich aber ganz schnell wieder.

Als Hauptgang ein Müritzlamm mit gebackener Chorizo, zweierlei Bohne und Aprikose. Serviert mit beachtlicher Fettschicht, aber die Fleischqualität war so hervorragend, und das Fett so butterzart, dass gar nicht genug davon daran sein konnte.

Zum Dessert eingelegte Kirschen, eine gute Waffel mit Vanillesauce und ein Kirsch-Joghurt-Eis.

Nicht überkandidelt, aber sehr stimmig, dazu ein sehr guter Dessertwein aus dem Roussillon, ein Maury von 2013.

Eine Küche auf hohem Niveau in relaxter Atmosphäre, gutes Konzept.

 

Noch einen Gute-Nacht-Trunk im Terminus genommen, ein Zufallsfund. Französisches Flair mit abwechslungsreicher Bistrotküche und kauzigem Inhaber, dafür aber eine bezaubernde Mademoiselle Charmante im Service. Ein beliebter Treffpunkt mit häufigen Konzertveranstaltungen.

Zur Zeit halt leider nicht bzw. nur draußen. Kostenloses Auto-, Motorrad- und Quad-Posing vor den Außensitzplätzen inbegriffen.

Gin Tonic für 3,90… Ja ok, mit Gordon’s. Aber für 3,90 bekommt man in Frankfurt gerade mal das Tonic Water zum Gin, und der kostet dann weitere 10 – 12 Euro…

Zum Schluss noch ein Fundstück zum Thema angewandte Lyrik:

Die Kneipe „Zum Elefanten“.

„Komm rein! Geh einen rüsseln“ – das ist schon einen Asbach Uralt wert!

 

 

Le Comptoir
Försterstraße 15

The Broom Interior Shop
Fröschengasse 14

Reiseck
Kaltenbachstr.15

Casa Mada
Mainzer Str 52

Moderne Galerie
Bismarckstr 11-15

Terminus
Bleichstr. 32

Zum Elefanten
Mainzer Str. 45

Lyon

Ein paar Tage in Lyon.

Sehr entspannte Anreise im TGV, zumindest solange nicht unerzogene Gören über Stunden ihre Chipstüten laut raschelnd verzehren, und mit den zu Boden gefallenen Resten eine zertretene Spur der Verwüstung durch den Waggon ziehen.

Die Bewohner der Stadt empfingen uns sehr freundlich, mehrfach wurde ich bei der Orientierung mit der Karte (ja, ich benutze bedrucktes Papier zur Navigation) gefragt, ob man behilflich sein könne, sogar Koffer die Treppe zur Metro hinuntertragen wurde angeboten! Auch in den Geschäften und Restaurants ausgesprochen freundliches Personal, teilweise wurde sogar Englisch gesprochen!

Das kenne ich aus Frankreich durchaus auch anders.

Lyon wird auch als kulinarische Hauptstadt Frankreichs bezeichnet, die Heimatstadt von Paul Bocuse, über 4000 Restaurants gibt es hier, was bezogen auf die Bevölkerungszahl rekordverdächtig ist. Um dies zu erkunden waren wir hier.

Außerdem sagen die Lyoner, dass durch ihre Stadt nicht nur zwei Flüsse fließen, Rhone und Saône, sondern noch ein dritter: Der Beaujolais…

Am späten Abend eingetroffen, und sofort auf die Suche nach einem hübschen Restaurant gemacht, bevor die Küchen schließen. Durch Zufall an einem sehr hübschen vorbeigekommen, „A la Guill’on dîne“. Etwa 20 Plätze, alle schienen besetzt, und zwar ausschließlich von Einheimischen.

„Avez-vous une réservation?“

Nein, natürlich nicht, sind ja gerade erst angekommen. Doch siehe da, husch husch einen Tisch umgestellt und schon nahmen wir Platz.

Um es vorwegzunehmen: Großartig! Obwohl wir später wirklich auch sehr gut gespeist haben, dieses Restaurant blieb der Favorit.

Sehr französisch, ohne exotische Zutaten, dennoch modern.

Als Amuse-Gueule eine lauwarme Karottenvelouté, mit Ingwer, Blutorangenöl und Lavendelblüten, fein und delikat.

Zur Vorspeise ein pochiertes Ei auf Artischockenherz, mit einer Kastaniensauce und einem Foie gras-Taler, als Hauptgang ein vegetarisches Risotto mit Trüffelöl, und ein „pièce du boucher“, also vermutlich ein Onglet vom Charolais-Rind, saftig und zart, mit Galettes parmentières (Buchweizenpfannkuchen), und einer köstlichen Rotwein-Schalotten-Reduktion.

Dazu Weine aus der näheren Umgebung (Beaujolais und Côtes-du Rhône) zu angenehmem Preis (um die 6 Euro für 0,15l).

Sehr zu empfehlen.

Wie sich später herausstellt hat der Küchenchef, der als Alleinkoch den Abend wirklich hervorragend bestritten hat, früher bei diversen Sterneköchen, unter anderem Pierre Gagnaire, gearbeitet.

Am zweiten Tag einen Ausflug zum besuchenswerten Flohmarkt Les Puces du Canal gemacht, etwas außerhalb gelegen, dort ein Glas Wein in diesem Restaurantpavillon genommen:

Ich wunderte mich noch über die merkwürdige Comicgestalt am Fenster, doch dann wurden sie serviert, am Nachbartisch, die kleinen Schenkelchen…

Spezialität des Hauses, nur am Wochenende, 18 Euro pro Portion.

Vielleicht nächstes Mal.

Zurück in der Stadt, auf der Halbinsel zwischen Rhone und Saône, einen „Lyon“ weiterlesen