Saarbrücken

Saarimini
Saarimini

Obwohl ein altes Vorurteil behauptet, das beschauliche Saarland würde in den deutschen Medien nur als Flächenmaß auftauchen („In Südostaustralien wütet ein Waldbrand von der Größe des Saarlands…“), hat es doch kulinarisch einiges zu bieten. Begünstigt durch die Nähe zu Frankreich wird das Genießen groß geschrieben, so auch verinnerlicht im inoffiziellen Landesmotto:

„Hauptsach‘ gudd gess‘. Geschafft hann mir schnell.“

Gute Gründe also für einen Abstecher in die Hauptstadt, nach Saarbrücken.

Studenten dürfen sich im Brutalismus aalen

Universität des Saarlandes

und laben, die ikonische Mensa von Walter Schrempf und Otto H.Hajek war für mich mit Coronabeschränkungen und ohne Studentenausweis leider nicht zugänglich.

 

Beim Bummel durch die Innenstadt, bzw. den beiden Ausgehvierteln Sankt Johann und dem Nauwieser Viertel, aufgefallen:

The Broom

Kleiner, aber feiner Laden mit schönem Geschirr.

Reiseck

Verkauft Onigiri. Onigiri sind Reisbällchen, eingewickelt in ein Algenblatt, mit unterschiedlicher Füllung (Fisch, Avocado, Pilze, Gurke etc.). Ursprünglich eine Resteverwertung, haben sich Onigiri zu einem beliebten japanischen Snack und Fast Food entwickelt, ähnlich den sizilianischen Arancini, aber nicht frittiert.

Außerdem ein wenig japanisches Geschirr und Spezialitäten im Angebot. Originär aus Saarbrücken, inzwischen zu einer kleinen Kette mit drei weiteren Filialen in Trier, Frankfurt und Aachen angewachsen.

Casa Mada

Spanischer Weinladen mit Delikatessen. Freundliche Inhaber, mit der Möglichkeit auch ein Glas zu trinken, Tapas auf Vorbestellung.

Im Sommer genießen die Saarbrücker den Biergarten Am Staden und die Wiesen am Saarufer.

Ach ja, und ein modernes Museum, die Moderne Galerie, deren Erweiterungsbau für einigen Wirbel gesorgt hat. Auszüge aus der diesbezüglichen Debatte im Landtag sind auf dem Boden vor dem Museum verewigt.

Schöne Sammlung mit Gemälden und Skulpturen des 20. Jahrhunderts, Beckmann, Kirchner, Picasso, Archipenko.

Abends zum Essen ins

Le Comptoir

Patron Jens Jakob hat nach verschiedenen Stationen in der Gastronomie, unter anderem bei Klaus Erfort, mit dem eigenen Restaurant „Le Noir“ in Saarbrücken zwei Michelin-Sterne erkocht.

Doch der Erfolg bei den Kritikern bleibt ohne wirtschaftlichen Erfolg, und so muss er das Restaurant nach knapp 10 Jahren schließen. Auch ein Neustart unter anderem Namen „Jens Jakob Das Restaurant“ scheitert, worüber er auch ganz offen spricht.

So schnell aber gibt der Mann nicht auf, und seit Ende 2018 betreibt er das „Le Comptoir“ in der Försterstraße, zu deutsch: die Theke. Und ebendiese ist auch der Blickfang in der geschmackvoll renovierten ehemaligen Bäckerei, außer den Sitzplätzen dort gibt es nur noch vier Tische. Und auch das Personal ist reduziert, statt früher 39 Angestellten sind es im Le Comptoir nur noch drei, die Köche David Christian und Peter Wirbel, beide früher auch im Le Noir tätig, und Jens Jakob selbst.

Serviert wird über die Theke, das ist gemütlich und entspannt, und Jakob erklärt jeden Gang kompetent und detailliert.

Fünf Gänge zu 74 Euro, Weinbegleitung 38 Euro.

Als Gruß aus der Küche ein Tatar mit Senf und Pumpernickel, dazu ein Buttermilch-Shot mit Charentais-Melone, obenauf scharf gewürzte Mandelblättchen. Das ließ sich gut an.

Der erste Gang ein Baumkuchen mit Entenstopfleber, serviert mit einem Pfirsich-Lavendel-Kompott, dazu ein Eis von der Stopfleber, welches mit demi-glace, Glukose und Sahne zubereitet sehr angenehm und gar nicht mächtig war (was man bei dem Gedanken an ein Lebereis durchaus vermuten könnte).

Hier sah man das erlernte Handwerk aufblitzen, der Baumkuchen perfekt, und ein optional angebotener Roumieux 2016 bestätigte die Erfahrung, dass Stopfleber und Sauternes ein kongeniales Duo sind.

Danach folgte, serviert mit den Worten “Warum nicht mal ein Hamburger?“, ein ebensolcher mit dem Fleisch von der Königskrabbe, Coleslaw, Koriander und einer prima Mango-Mayonnaise.

Guter Saar-Riesling von Claudia Loch aus Schoben dazu. Der Gang hat mich dennoch nicht so angesprochen wie der vorherige, und mir stellte sich die naheliegende Frage „Warum eigentlich ein Hamburger?“.

Die hausgemachten Gnocchi mit einer Burratacreme und Minze auf einem herrlich intensiven Tomatensugo mit Knoblauch versöhnten mich aber ganz schnell wieder.

Als Hauptgang ein Müritzlamm mit gebackener Chorizo, zweierlei Bohne und Aprikose. Serviert mit beachtlicher Fettschicht, aber die Fleischqualität war so hervorragend, und das Fett so butterzart, dass gar nicht genug davon daran sein konnte.

Zum Dessert eingelegte Kirschen, eine gute Waffel mit Vanillesauce und ein Kirsch-Joghurt-Eis.

Nicht überkandidelt, aber sehr stimmig, dazu ein sehr guter Dessertwein aus dem Roussillon, ein Maury von 2013.

Eine Küche auf hohem Niveau in relaxter Atmosphäre, gutes Konzept.

 

Noch einen Gute-Nacht-Trunk im Terminus genommen, ein Zufallsfund. Französisches Flair mit abwechslungsreicher Bistrotküche und kauzigem Inhaber, dafür aber eine bezaubernde Mademoiselle Charmante im Service. Ein beliebter Treffpunkt mit häufigen Konzertveranstaltungen.

Zur Zeit halt leider nicht bzw. nur draußen. Kostenloses Auto-, Motorrad- und Quad-Posing vor den Außensitzplätzen inbegriffen.

Gin Tonic für 3,90… Ja ok, mit Gordon’s. Aber für 3,90 bekommt man in Frankfurt gerade mal das Tonic Water zum Gin, und der kostet dann weitere 10 – 12 Euro…

Zum Schluss noch ein Fundstück zum Thema angewandte Lyrik:

Die Kneipe „Zum Elefanten“.

„Komm rein! Geh einen rüsseln“ – das ist schon einen Asbach Uralt wert!

 

 

Le Comptoir
Försterstraße 15

The Broom Interior Shop
Fröschengasse 14

Reiseck
Kaltenbachstr.15

Casa Mada
Mainzer Str 52

Moderne Galerie
Bismarckstr 11-15

Terminus
Bleichstr. 32

Zum Elefanten
Mainzer Str. 45

Tomba Brion

Kleiner Ausflug zur modernen Architektur, Palladio hatten wir ja schon.

Die Ehefrau des Industriellen Giuseppe Brion aus dem Veneto beauftragte den Architekten Carlo Scarpa für sich und ihren verstorbenen Ehemann ein Grabmal zu erschaffen. Grabmal ist vielleicht nicht das richtige Wort, eher ein Monument oder ein japanischer Tempelgarten? Vermutlich von allem etwas.

Brion war Inhaber der Elektronikfirma Brionvega, die hauptsächlich mit Radiogeräten modernsten Designs erfolgreich war. Scarpa erhielt völlig freie Hand bei der Gestaltung des über 2000m² großen Areals.

Carlo Scarpa blieb zeitlebens die gebührende Anerkennung versagt, da er zwar Architekturdesign studiert hatte und in Venedig als Professor der Architektur graduierte. Die italienische Regierung veränderte jedoch die Zulassungsbestimmungen für Architekten nach dem Zweiten Weltkrieg, und ein neuerliches pro forma Examen verweigerte er. Als Folge dessen mussten seine Assistenten die Bauprojekte offiziell führen und unterzeichnen, und er wurde von missgünstigen Kollegen gelegentlich als Inneneinrichter verspottet.

Mit der Tomba Brion gelang ihm in den 70er-Jahren sein Meisterwerk.

Über den Friedhof der Gemeinde gelangt man zum Komplex.

Trotz des fast brutalistischen Einsatzes von sehr viel Beton ist der Ort eine Idyll der Kontemplation, mit einer bezaubernden Formensprache.

 

Der Haupteingang mit der öffentlich für Totenmessen genutzten Kapelle wurde leider zum Zeitpunkt unseres Besuches renoviert, aber auch der zugängliche Teil der Anlage mit dem japanisch anmutenden Garten und Seerosenteich, den vielen kleinen Details und Blickachsen verströmt eine betörende Poesie.

Auch der Dorfjugend gefällt’s.

Nach seinem Unfalltod 1978 in Japan wurde Scarpa knapp außerhalb der Grabanlage beerdigt (senkrecht, mit Leinentüchern umwickelt nach der Art eines mittelalterlichen Ritters [!]).

Tomba Brion
Via Brioni
31030 San Vito di Altivole

 

 

I would like to explain the Brion Cemetery…I consider this work, if you permit me, to be rather good and which will get better over time. I have tried to put some poetic imagination into it, though not in order to create poetic architecture but to make a certain kind of architecture that could emanate a sense of formal poetry….The place for the dead is a garden….I wanted to show some ways in which you could approach death in a social and civic way; and further what meaning there was in death, in the ephemerality of life – other than these shoe-boxes.” (Carlo Scarpa)

Lyon

Ein paar Tage in Lyon.

Sehr entspannte Anreise im TGV, zumindest solange nicht unerzogene Gören über Stunden ihre Chipstüten laut raschelnd verzehren, und mit den zu Boden gefallenen Resten eine zertretene Spur der Verwüstung durch den Waggon ziehen.

Die Bewohner der Stadt empfingen uns sehr freundlich, mehrfach wurde ich bei der Orientierung mit der Karte (ja, ich benutze bedrucktes Papier zur Navigation) gefragt, ob man behilflich sein könne, sogar Koffer die Treppe zur Metro hinuntertragen wurde angeboten! Auch in den Geschäften und Restaurants ausgesprochen freundliches Personal, teilweise wurde sogar Englisch gesprochen!

Das kenne ich aus Frankreich durchaus auch anders.

Lyon wird auch als kulinarische Hauptstadt Frankreichs bezeichnet, die Heimatstadt von Paul Bocuse, über 4000 Restaurants gibt es hier, was bezogen auf die Bevölkerungszahl rekordverdächtig ist. Um dies zu erkunden waren wir hier.

Außerdem sagen die Lyoner, dass durch ihre Stadt nicht nur zwei Flüsse fließen, Rhone und Saône, sondern noch ein dritter: Der Beaujolais…

Am späten Abend eingetroffen, und sofort auf die Suche nach einem hübschen Restaurant gemacht, bevor die Küchen schließen. Durch Zufall an einem sehr hübschen vorbeigekommen, „A la Guill’on dîne“. Etwa 20 Plätze, alle schienen besetzt, und zwar ausschließlich von Einheimischen.

„Avez-vous une réservation?“

Nein, natürlich nicht, sind ja gerade erst angekommen. Doch siehe da, husch husch einen Tisch umgestellt und schon nahmen wir Platz.

Um es vorwegzunehmen: Großartig! Obwohl wir später wirklich auch sehr gut gespeist haben, dieses Restaurant blieb der Favorit.

Sehr französisch, ohne exotische Zutaten, dennoch modern.

Als Amuse-Gueule eine lauwarme Karottenvelouté, mit Ingwer, Blutorangenöl und Lavendelblüten, fein und delikat.

Zur Vorspeise ein pochiertes Ei auf Artischockenherz, mit einer Kastaniensauce und einem Foie gras-Taler, als Hauptgang ein vegetarisches Risotto mit Trüffelöl, und ein „pièce du boucher“, also vermutlich ein Onglet vom Charolais-Rind, saftig und zart, mit Galettes parmentières (Buchweizenpfannkuchen), und einer köstlichen Rotwein-Schalotten-Reduktion.

Dazu Weine aus der näheren Umgebung (Beaujolais und Côtes-du Rhône) zu angenehmem Preis (um die 6 Euro für 0,15l).

Sehr zu empfehlen.

Wie sich später herausstellt hat der Küchenchef, der als Alleinkoch den Abend wirklich hervorragend bestritten hat, früher bei diversen Sterneköchen, unter anderem Pierre Gagnaire, gearbeitet.

Am zweiten Tag einen Ausflug zum besuchenswerten Flohmarkt Les Puces du Canal gemacht, etwas außerhalb gelegen, dort ein Glas Wein in diesem Restaurantpavillon genommen:

Ich wunderte mich noch über die merkwürdige Comicgestalt am Fenster, doch dann wurden sie serviert, am Nachbartisch, die kleinen Schenkelchen…

Spezialität des Hauses, nur am Wochenende, 18 Euro pro Portion.

Vielleicht nächstes Mal.

Zurück in der Stadt, auf der Halbinsel zwischen Rhone und Saône, einen „Lyon“ weiterlesen

Bauhaus Dessau

Kein Essen. Nur Architektur.

Prellerhaus Dessau

Während des Aufenthalts in Leipzig ein Abstecher nach Dessau.

Insgesamt drei Führungen mitgemacht, informativ, den ein oder anderen Extraraum aufgeschlossen bekommen, sehr zu empfehlen.

Zuerst die Meisterhäuser. Nachdem Thüringen 1924 eine rechtskonservative Landesregierung bekam, musste das Bauhaus bald aus Weimar umziehen und wurde von dem Dessauer Bürgermeister eingeladen. 1926 gebaut, zu besichtigen sind:

Haus Gropius, später von dem zweiten Direktor Mies van der Rohe bewohnt.

Haus Gropius Dessau

Nach Zerstörung im Krieg und Abriss eines dort entstandenen Einfamilienhauses mit Satteldach (!), wurde das Haus 2014 wieder aufgebaut, „Bauhaus Dessau“ weiterlesen