Perugia, Umbrien

Il cuore verde d’Italia

 

Wie schrieb eine Reisejournalistin mal so schön: „Perugia ist wie Mittelalter mit WhatsApp, und das fühlt sich wunderbar an.“

Das trifft es ziemlich genau. Die Hauptstadt Umbriens, dem grünen Herz Italiens, obwohl uralt (mindestens 2500 Jahre, vermutlich aber schon früher besiedelt), ist dank der vielen Studenten jung, lebendig, und ausgehfreudig. Zum Zeitpunkt unseres Besuches fand außerdem noch das Umbria Jazzfestival statt. Was, neben der Schokoladenmesse Eurocioccolato im Herbst, die einzige Zeit ist in der in der Stadt viele Touristen sind. Sonst bevölkern eher Einheimische den Corso Vanucci, die eleganteste Flaniermeile Mittelitaliens.

Ein Flughafen von lediglich regionaler Bedeutung, keine Kreuzfahrtschiffe, und nur einmal am Tag ein Frecciarossa, der italienische Hochgeschwindigkeitszug. So bleibt man von Massentourismus verschont.

Der Hang der italienischen Jugend zur abendlichen Passeggiata, oder le vasche, wie man in Perugia sagt, lässt aber Samstag abends kein Gefühl der Einsamkeit aufkommen.

Die Innenstadt ist weitgehend autofrei, dank eines (für einen im Grunde genommen immer noch typischen Borgo, auf einem Hügel gelegen und voller winziger Gässchen) modernen Verkehrskonzeptes: Eine Einschienenbahn, genannt MiniMetro, Rolltreppen und ein Fahrstuhl transportieren die Passanten von den unten gelegenen Parkplätzen, dem Bahnhof und dem Busbahnhof in die Oberstadt.

Der Bahnhof ist übrigens mit einem Wartesaal von außergewöhnlicher Schönheit und Verfall ausgestattet.

Einkaufen

Umbrò

Ein Lebensmittelgeschäft mit Produkten aus Umbrien. Ausschließlich.

Wurst- und Käsetheke, Wein, Gemüse, diverse Delikatessen.
Im Untergeschoss Gastronomie mit Panoramaterrasse, die Apericena (Getränk und Buffet) für 7 Euro.

Von einer Kooperative gegründet, die sich „cultura, bellezza, bontà“ (Kultur, Schönheit, Qualität, bzw. Geschmack) auf die Fahnen geschrieben hat.

Toll.

Antico Frantoio

Die Familie Trampolini betreibt hier eine Olivenmühle mit hochklassigen Olivenölen, probieren und vor Ort kaufen möglich.

Der Sohn produziert auch Craftbier.

Caffè

Die Institution: Das Caffè Sandri auf dem Corso Vannucci. Die Decke bemalt, der Service in roten Jacken, der Caffè espresso außerordentlich teure 1 Euro 20.

Leckerste, hausgemachte Schokoladenversuchungen gibt es bei Mastro Cianuri. Auch tolles Eis.

Abends sind, den Studenten sei dank, vielfältige Möglichkeiten der Zerstreuung, Bars, Pubs, etc.

Stellvertretend möchte ich nur eine, nennen wir es Musikkneipe, erwähnen:

Marla.

Marco führt hier seit 5 Jahren einen vibrierenden Club mit vielen Livekonzerten.

Während des Jazzfestivals jeden Abend Jamsessions.

 

A tavola!

Mittags bei Cammino Garibaldi auf ein Getränk draußen gesessen, am Nachbartisch wurde ein gut aussehendes Gericht serviert: Pappa al pomodoro con Burrata.

Flugs bestellt, und siehe da, diese sehr traditionelle mittelitalienische Brot-Tomatensuppe war ganz hervorragend, frisch und angenehm sommerlich, die Burrata  sorgte für das Quentchen Etwas.

Wie immer in Umbrien und der Toskana die Suppe eher fest als flüssig.

Il Giardino

Sehr versteckt gelegenes Gartenlokal, (genaue Lage auf der Facebookseite herausfinden) eigentlich mehr Garten als Lokal, man kann nämlich nur draußen sitzen. Aber überraschend anspruchsvolle Küche.

Spaghetti vongole mit roter Bete

Wer denkt hier nicht an „Oops! I dropped the lemon tart!“ von Massimo Bottura?

Nur im Sommer geöffnet.

Il Tempio

Am nördlichen Stadttor gelegene Weinbar, mit kleinen Snacks. Tolle Auswahl an umbrischen Weinen. Bisschen Toskana ist auch dabei.

Zum Wein einen köstlichen Brotsalat mit –

Burraaataa!

Selten liebevoller serviert bekommen als von Remigio,

der mit seiner Tochter Claudia das Geschäft betreibt.

Osteria a Priori

Kleines, familiengeführtes, gemütliches Lokal, tagsüber Enoteca mit Weinverkauf, abends warme Küche.

Es gab als primi:
Fagiolina del trasimeno, eine uralte lokale Bohnensorte.

Stracciata al tartufo, ein Filatakäse, etwa in der Art von Mozzarella, mit Trüffeln.

Secondi:
Geschmortes Kaninchen und

Agnolotti di brasato, mit geschmortem Rindfleisch gefüllte Nudeln, dazu rote Zwiebeln aus Cannara.

Statt Dessert noch Bocconcini chianina, keine Nudeln, sondern ein Ragout von der berühmten toskanischen Rinderrasse mit Gemüse.

Vorspeisen 8-10 Euro, Hauptgerichte 9-13, Flasche Wasser 2 Euro.
Coperto 1 Euro.

Je Glas Wein 4-6 Euro, wobei der für 6 ein wahrhaft ausgezeichneter Sagrantino di Montefalco war, warm, weich und vollmundig. Ein Spitzengewächs aus Umbrien, von internationalem Weinhype noch nicht entdeckt.

Ein Musterbeispiel an regionaler, mittelitalienischer Nonna-Küche, mit Produkten von hervorragender Qualität.
Reservieren.

Luce Ristorante

Erst kürzlich eröffnetes Restaurant in einem alten Palazzo, hohe nackte Backsteinwände mit modernem Interieur, den Stil der Stadt gut getroffen.

Rindercarpaccio mit Burrata, Haselnüssen und Bohnenkraut (!)

Das Bohnenkraut passte ausgezeichnet zu den restlichen Aromen, manchmal sind es die kleinsten Dinge, die den entscheidenden Kick geben.

Tortelli mit Borretsch, Haselnussbutter und Marcona-Mandeln, wieder spitze kombiniert, Nuss mit der gurkig-würzigen Borretschfüllung.

Risotto mit gerösteten Tomaten und Kräutern. Sehr stimmig, Risotto auf den Punkt gekocht, mit perfekter Welle („all’onda“: Wenn das Risotto die exakte, cremige Konsistenz hat).

 

Gegrilltes Rinderfilet, grünen Bohnen und Steinpilztee.

Mjam! Eine hervorragende Art das Aroma der Steinpilze einzufangen, und gibt den ansonsten schlicht zubereiteten Bohnen und dem Fleisch eine herausragende Grundlage.

Schweinebäckchen in Porchetta, gegrillter Paprika und roter Zwiebel.
Zwiebel aus Cannara, natürlich.
Zart geschmort und einfach toll.

Ausnahmsweise Nachtisch, eine – Mandarine.

Dies entpuppte sich als ein kleines Kunstwerk. Der Stiel aus Schokolade, die Schale eine mit Mandarine aromatisierten Ganache, innen Eis und eine Creme, Soße mit Mandarinensaft und Crumble. Fantastisch.

Mandarino

Der Wein zum gesamten Essen ein Etnico, Sagrantino di Montefalco, aus… Cannara!

Vorspeisen um die 14, Hauptgerichte um die 18 Euro. Mandarino 7,-.

Möglicherweise das beste Essen des Urlaubs, streitet mit der Gineria in Padua um Platz eins.

 

Noch einen Ausflug nach Assisi unternommen. Muss man ja mal gesehen haben.

Haben wir jetzt.
Langt für lange Zeit.
Der Ort eigentlich hübsch, die Basilika beeindruckend, aber die Geschäfte…

Nur überteuerter Touristennippes und Franziskus-Devotionalien (die gehören ja wenigstens irgendwie noch in den Geburtsort des katholischen Heiligen), aber als in einem Schaufenster auch noch penisförmige Nudeln auslagen, war’s genug.

Schade.

Basilica di San Francesco

 

Viel schöner aber dieser zufällige Fund:

Nach dem Besuch Assisis auf ein Schild aufmerksam geworden, welches nach Cannara führte.

Dieser geheimnisvolle Ort voller Spezereien sollte doch einen Abstecher wert sein?

Außer einer Gruppe kartenspielender Senioren, auf einem großen Balkon über der Terrasse der örtlichen Vespawerkstatt, präsentierte sich das Örtchen am späten Nachmittag recht ausgestorben.

In der (leeren) Bar del Centro nach einem Gemüsehändler gefragt, um die berühmten Zwiebeln aus Cannara zu kaufen.

Gemüsehändler gäbe es keinen, und überhaupt sei ja noch keine Saison für Zwiebeln, die beginne erst im August (es war Ende Juli…).

Einen Caffè getrunken (80 Cent…) und die Stille in diesem nur wenige Kilometer von Assisi entfernten Flecken genossen.

 

 

 

Umbrò
Via Sant’Ercolano 2

Pasticceria Sandri
Corso Vannucci 32

Gelateria Mastro Cianuri
Piazza Giacomo Matteotti 17

Antico Frantoio Trampolini
Via Enrico dal Pozzo 103

Marla
Via Bartolo 9-11

Cammino Garibaldi
Corso Garibaldi 32-34

Il Giardino
Via dei Pellari

Il Tempio
Viale Zefferino Faina 50

Osteria a Priori
Via dei Priori 39

Luce
Via Ulisse Rocchi 18-20

2 Antworten auf „Perugia, Umbrien“

  1. Toller Blog-Artikel. Perugia kann ich nur empfehlen. War da letztes Jahr mit zwei Kumpels ;-). Hervorragendes Öl erstanden, toll gewohnt, bestens gespeist und getrunken und auch ansonsten eine nette Zeit verbracht. Auf den Bahnhof kann ich ebenfalls nur hinweisen. Ein surrealer Traum. Penisförmige Nudeln? Haben wir in Deutschland doch auch. Die so genannten Bubespätzle in Schwaben … Von daher … Alles nicht so eng. Und irgendwie musste ja auch der heilige Franziskus entstehen. Nicht jeder hat die Ehre durch unbefleckte Empfängnis zu entstehen :-).

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