Restaurantbesuchs-Berichte aus der Vergangenheit? Ja. Erstens brauche ich immer sehr lange, zweitens wollte ich mir diesen zum wieder schmackhaft machen aufheben, wenn die Restaurants wieder öffnen dürfen. Doch das kann noch dauern.
Weiter also auf der Mission zur Rettung der Gastronomie: Mitte Oktober ging es in das Restaurant Steins Traube in Mainz-Finthen.
Finthen? Im Frühling berühmt für seinen Spargel, danach steht der Ortsteil eher nicht im Mittelpunkt des Weltgeschehens.
Doch da ist ja noch die Traube, Philipp Stein führt hier einen alteingesessenen Familienbetrieb in jetzt sechster Generation, aus der ursprünglichen Dorfschänke wurde in den Siebzigern eine Gaststätte mit gutbürgerlicher Küche, danach übernahm Vater Peter, der unter anderem im Tantris und in der Ente vom Lehel unter Hans-Peter Wodarz gekocht hatte, und etablierte eine französisch inspirierte Küche.
Sein Sohn Philipp Stein erhielt als Koch im Mainzer Favorite Parkhotel 2014 einen Michelin-Stern, damals der jüngste Sternekoch Deutschlands mit nur 24 Jahren. 2019 übernahm er den elterlichen Betrieb.
Gelegentlich tritt er in der Fernsehsendung ARD-Buffet auf, dieses Format habe ich allerdings noch nie gesehen.
Der Gastraum hell und geschmackvoll renoviert, hübsches Logo mit Weintrauben und den Initialen der Inhaber, ein freundliches Team rund um die Ehefrau Alina Stein im Service.
Ich bestellte à la carte, für das Geburtstagskind gab es das Menü Tradition, drei Gänge für 75 Euro. Und ein Glas Champagner.
Nach dem köstlichen Brot als Appetizer ein gebackener Curry-Garnelencroustillant im Kataifiteig (pro Stück 2,50). Kataifiteig, auch Engelshaar genannt sind diese hauchdünnen Teigfäden, die man von griechischem bzw. orientalischem zuckersüßem Gebäck kennt. Hier in Verbindung mit der saftigen Garnele ein knuspriger Beginn.
Im Hintergrund der Zettel zur Erfassung der Kontaktdaten – wie gerne würden wir diese wieder ausfüllen…
Nun eine Hummerschaumsuppe, mit Cognac, Tomate, Croutons und Garnelenwürfeln (13,-).
Sehr klassisch französische Bisque, kräftig und intensiv, genau wie ich sie haben wollte.
Im Menü derweil marinierte Kabeljaulamellen mit Joghurt, Granatapfelkernen, Limette und Getreidechips auf einem Fenchelsalat. Fisch butterzart, die Sauce herrlich erfrischend und leicht.
Zweiter Gang im Menü nun die Suppe, eine Schaumsuppe vom Butternutkürbis mit getrockneter Orange, Kernöl und Stücken vom eingelegten Kürbis. Für gewöhnlich meide ich Kürbissuppen, denn im Herbst kann man sich ihnen auf deutschen Speisekarten kaum entziehen, aber diese ließ meine Vorurteile verstummen.
Für mich gebratene Jakobsmuscheln mit Blumenkohl, einer Bergamotten-Beurre blanc und Mandeln (24,-).
Fan-tas-tisch!
Da war er, der beste Gang des Abends, dieser Moment des Erstaunens, die Verzückung ob des Geschmacks dieser relativ simplen Zutaten. Der Grund, warum man in ein gutes Restaurant geht.
Jakobsmuscheln und Blumenkohl, dessen Röschen hier in ihre einzelnen Stängel zerteilt wurden, sind eine bekannte und gut funktionierende Kombination, und auch eine Beurre blanc wird, sehr klassisch französisch, gerne dazu gereicht. Das ungewöhnliche Zitrusaroma des Bergamotte-Öls erhebt diese Gericht jedoch auf eine beglückende Art. Präzise abgeschmeckt, hier schlägt die Erfahrung des Chefs voll durch.
Eigentlich könnte jeder Fleischgang danach einpacken, die gebratene Lammnuss mit einer Parmesanschnitte, auf einer Caponata und einem Kräuterjus (29,-) tat dies aber beileibe nicht. Hervorragende Fleischqualität und eine ganz ausgezeichnete Sauce.
Im Menü als Hauptgang ein Steinbeisserfilet mit einem Spinatrisotto, Tomaten-Pinienkern-Kompott, Parmesan und Trüffelschaum. Der Fisch, wie nicht anders erwartet, perfekt gegart, das I-Tüpfelchen aber nicht etwa der Trüffelschaum, sondern das Tomatenkompott!
Eine wunderbare Leistung des Küchenteams, eine feine glasweise Weinbegleitung, ausgesucht von der kompetenten Sommelière Maria Vizsnyai (je 26,- bzw.- 31,-).
Ein gelungener Abend.
Zur Zeit hält sich das Restaurant mit Gerichten zum Mitnehmen und Flaschenwein-Verkauf aus dem gut gefüllten Weinkeller über Wasser, Flaschenpreis wie auf der Speisekarte, minus 15 Euro.
Nachtrag: Mit der Bekanntgabe der neuen Sterne für Deutschland hat der Guide Michelin das Restaurant Steins Traube am 5. März mit einem Stern ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch, sehr verdient!
Nach Parma ging es im Oktober weiter zu einem Kontrollbesuch in Perugia.
Welche Geschäfte, Bars und Restaurants haben den harten (ersten) Lockdown Italiens überlebt?
(Im Grunde meines Herzens will ich dieses Juwel Mittelitaliens eigentlich für mich behalten. Meins, ganz allein. Auf gar keinen Fall soll die Stadt so unter Overtourism leiden wie Florenz oder Venedig. Aber dafür liegt sie glücklicherweise zu abgelegen. Und die Geschäfte und die Gastronomie leiden. Also fahrt irgendwann wieder hin, es lohnt sich. Aber bleibt für mehr als einen Tag.)
Die erste gute Nachricht: Remigio verströmt in seinem Tempel (Il Tempio) weiterhin gute Laune und guten Wein!
Der Name geht zurück auf eine sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Rundkirche aus dem 6. Jahrhundert, auf den Grundmauern eines römischen oder sogar etruskischen Tempels erbaut. Im Innern gibt es ein geheimnisumwittertes Pentagramm auf dem Boden, und die Kirche soll außerdem auf einer Linie entlang der Erdoberfläche liegen, auf welcher der letzte Sonnenstrahl bei Sonnenuntergang zur Sommersonnenwende vorbeigeht.
Damit ist der Tempel in Perugia gut aufgehoben, denn hier laufen so einige, manchmal auch recht wirre, Linien zusammen. Wie man an gleich mehreren esoterischen Buchläden erkennen kann…
Nebenan ein alter Stadttorturm mit einem Museum historischer Instrumente
und einer Dachterrasse mit großartigem Ausblick. Allerdings äußerst erratische Öffnungszeiten, wird von privaten Enthusiasten betrieben, Eintritt kostenlos, Spenden willkommen.
Auch die Osteria dei Priori war in vollem maskierten Betrieb, weiterhin feine, traditionelle umbrische Gerichte auf höchstem Niveau. Und, selbstverständlich, ein Sagrantino di Montefalco zum Niederknien.
Das altehrwürdige Caffè Sandri hat leider nach dem ersten Lockdown nicht wieder geöffnet, Zukunft ungewiss.
Ebenfalls geöffnet war der hübsche kleine Garten in der Nähe der Ausländeruniversität, Il Giardino, diesmal mit leider nicht so hübschem Zelt. Aber dadurch konnte er die Saison verlängern, normalerweise ist nämlich Ende September Schluss. Küchenleistung wieder überraschend hochklassig, insbesondere wenn man die winzige Küche sieht.
Getrüffelte Carbonara mit ungesüßter Zabaione, und ein ausgezeichnetes Thunfisch-Tataki und -Tatar, ein gebratener Friggitello (wie die spanischen Bratpaprika) und süßsaure Zwiebeln.
Im Sommer auch öfter Freiluftkonzerte.
Moment, Zwiebeln?
Ja!
Endlich war auch die richtige Jahreszeit für Zwiebeln aus Cannara!
Gibt sie in weiß und rot.
Für Adepten des Craftbeer-Hypes noch eine exquisite Adresse:Kosmo.
Ein paar Biere gezapft, und dazu noch Hunderte Flaschenbiere, viele aus Italien, aber auch aus aller Welt.
Das Ristorante Luce war auch auf, habe ich diesmal leider nicht geschafft.
Dafür noch eine kleine Neuentdeckung, eine sympathische Weinbar namens Zenoteca am Beginn des Corso Cavour.
Quasi nebenan Paradiso 518, hier das Ladengeschäft, ein paar Schritte weiter der Ende der Woche geöffnete Kiosk Edicola 518, der es bis in die Financial Times geschafft hat.
Eklektische Auswahl an internationalen und italienischen Zeitschriften und Magazinen, von Inneneinrichtung und Design über Lifestyle, Kunst, Musik, Fotografie, Kochen, bis hin zu Politik, inklusive einer hübschen Kollektion anarchistischer Zeitungen.
Eine weitere Weinbar mit hervorragenden lokalen und anderen Weinen (toller Trebbiano Spoletino) hieß früher „Frittole“, und hat sich umbenannt in „La Moglie Ubriaca“ („die betrunkene Ehefrau“). Denn Ahnung von Wein hat Sara definitiv.
Der Club Marla hat einen neuen Besitzer, Marco hat aus familiären Gründen den Laden an den Betreiber einer anderen Bar ganz in der Nähe abgeben. Eventuell ein guter Zeitpunkt…
Während meines Besuches noch geschlossen wegen eines Wasserschadens.
Ob die neue Leitung noch dieses Händchen für bekannte und unbekannte Liveacts haben wird?
Kleine Erinnerung an eine spontane Jamsession des Hammond-Orgelvirtuosen Cory Henry während des Umbria Jazz 2016, hier ohne Orgel(nachdem seine Sängerin am Abend vorher schon dort auftrat, und wohl Gutes über die Stimmung zu berichten wusste – der Autor dieser Zeilen irgendwo verschwommen im Hintergrund).
Der Friedhof ist ebenfalls sehenswert. Die wohlhabenderen Familien Perugias
haben recht beeindruckende Grabstätten errichten lassen. Diesmal kein Brutalismus, sondern eher Neoklassizismus, italienischer Jugendstil (Liberty), und, ähm, Neuägyptischer Stil.
Das Wetter lockte diesmal auch in einige Museen, beim Betreten derer sämtlicher ich wieder über den aktuellen Stand meiner Körpertemperatur unterrichtet wurde.
So z.B. die GalleriaNazionale dell’Umbria im (selber beeindruckenden) Palazzo dei Priori, mit Gemälden der italienischen Renaissance von Perugino, Pintoricchio, Fra Angelico und vielen mehr.
In dessen dazugehörigen Museumsbuchladen suchte ich nach dem längst vergriffenen Bildband zu der Ausstellung eines berühmten amerikanischen Fotografen, „Sensational Umbria“, und fragte die freundliche junge Dame an der Kasse danach. Den Namen der Ausstellung wusste ich nicht mehr, aber mehr als „es gibt ein Buch von einem amerikanischen Fotografen…“ brachte ich auch nicht heraus, bevor sie, wie aus der Pistole geschossen sagte: „Steve McCurry!! Ein Foto von mir ist in dem Buch!“
So klein ist Perugia, äh die Welt manchmal…
Leider hatte nicht einmal sie ein Exemplar.
Der Palazzo della Penna, eine alte Familienresidenz mit wechselnden Ausstellungen teilweise schwerst moderner Kunst, und einer Dauerausstellung der umbrischen Futuristen mit dem Schwerpunkt auf den aus Perugia stammenden Gerardo Dottori.
Im Erdgeschoss die konservierte Erinnerung an den Besuch von Joseph Beuys in Perugia 1980.
Dito einen Abstecher wert: Das Archäologische Nationalmuseum Umbrien(36,8°C) im ehemaligem Kloster San Domenico. Mit einer bedeutenden Sammlung etruskischer, umbrischer und römischer Fundstücke.
Apropos Etrusker.
Hatte ich eigentlich die Rolltreppen schon erwähnt ? Führen durch die Rocca Paolina(Festung des Paulus), an etruskischen Ausgrabungen und moderner Kunst vorbei, u.a. von Alberto Burri.
Die Festung wurde von Papst Paul III., Alessandro Farnese, nachdem seine Truppen Perugia 1540 erobert hatten, auf den zugeschütteten Resten der zerstörten Stadt erbaut, ein weithin sichtbares Zeichen seiner Macht.
Der fiese Pope hatte eine neue Steuer eingeführt, die Salzsteuer. Die schlauen Florentiner sagten sich, nun gut Papst, mach halt, und buken ihr Brot fortan ohne Salz, übrigens bis heute.
Die stolzen Perugini hingegen widersetzten sich dem Papst und der Steuer.
Tja.
Perugia blieb danach für über 300 Jahre Teil des Kirchenstaates.
Mit dessen Ende 1861 und der Gründung des Königreichs Italien wurden Teile der Festung abgerissen.
1932 begann man damit die unter der Festung liegende Stadt wieder auszugraben, eine Arbeit die sich bis 1965 hinzog, 1983 wurden dann die ersten Rolltreppen (scale mobili) eröffnet (ab Minute 10:55).
Mit den Rolltreppen durchquert man die Rocca Paolina von unten gelegenen Parkplätzen und dem Busbahnhof hinauf in die Altstadt, durch eine unterirdische, fast komplett erhaltene Stadt aus dem 16. Jahrhundert. Gut, auch oberirdisch hat sich an etlichen Stellen Perugias seit 400 Jahren nicht viel verändert, aber das ist schon etwas besonderes.
Zu guter Letzt ein Ausflug nach Gubbio, der schönsten Terrasse Umbriens.
Klitzekleines bisschen touristisch, aber trotzdem bezaubernd.
Enoteca Il Tempio
Viale Zefferino Faina 50
San Michele Arcangelo (Tempio di Sant’Angelo)
Via del Tempio
Für den letzten Abend hatte ich mir das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Ristorante Parizzi ausgesucht.
Giulia, meine Vermieterin mit profunder Kenntnis der Restaurantszene Parmas, sagte: „Ah. Mainstream.“
Mit einem nicht wirklich ermutigendem Unterton, aber nun gut, ich hatte reserviert, also los.
Signora Parizzi begrüßte mich, und ihre durchtrainierte Erscheinung machte den Eindruck, als würde sie nach jedem Bissen vom Essen ihres Mannes sofort in einem Fitnessstudio im Hinterzimmer verschwinden, um diese Kalorien wieder loszuwerden.
Als ausgebildete Sommelière hat sie einen ganz ausgezeichneten Weinkeller aufgebaut, kümmert sich am Gast jedoch nur um die Flaschenweine. Ich als Besteller der glasweisen Weinbegleitung musste also mit dem Service des Kellners vorliebnehmen, welchen dieser jedoch den gesamten Abend über sehr freundlich und fachkundig ausübte
Ich wählte das Menü Terra, statt Mare, nur die Kalbsbrust tauschte ich gegen gebratenen Polpo aus. Fünf Gänge für 75 Euro, recht moderat für einen Einsterner.
Das Amuse, siehe da, eine Pappa al pomodoro, hübsch in Form gebracht.
Beim ersten Gang begegnen wir auch dem Caval pist wieder, dem Tatar aus Pferdefleisch, eine Spur anspruchsvoller angerichtet als in der Osteria Rangon…
Mit Pollen, Curcuma und süßsaurer Zwiebel, köstlich.
Es folgte eine knusprige Waffel, gefüllt mit sautierten Steinpilzen und Fontinakäse. Ganz lecker, wenn auch nicht abschließend überzeugend.
Dann Creste di Coniglio, mit Kaninchen gefüllte Nudeln auf einem Bett aus pürierten Erbsen, fein abgeschmeckt , toller Pasta-Gang.
Nun der gegrillte Polpo mit gedämpftem Gemüse und salsa agropiccante, also sauer-scharfer Sauce. Der Tintenfisch zart, die Sauce stimmig, sehr gut.
Anschließend dreierlei Stücke Parmesan in unterschiedlichen Reifegraden, vom Kellner am Tisch von drei großen Laiben herunter geschnitten, bzw. gebrochen. Wahrlich keine Pinzettenküche, für den einen oder anderen vielleicht etwas zu rustikal, doch die Qualität der Käse war herausragend.
Zu guter Letzt ein klassisches Dessert, eine Zitronen-Basilikum-Creme, zerkrümelter, gesalzener Schokoladenkeks mit Mandelkrokant und ein Olivenöl-Eis. Abwechslungsreiche Mischung aus fruchtigen und dunklen Aromen, mit einem Vin Santo von Antinori serviert, perfekt!
Die „Mainstream“-Bezeichnung war nicht ganz fair, das Essen hatte höchstes Niveau. Ein Körnchen Wahrheit lag doch darin, Marco Parizzi konzentriert sich auf die makellose Zubereitung hochwertiger Zutaten, während im Cortex der wilde Funken des Experiments aufblitzt.
Ich würde aber ganz sicher das Ristorante Parizzi wieder besuchen, und auch Cristina Parizzi war inzwischen aufgetaut und verabschiedete sich herzlich.
Schon der Name der Stadt steht für gastronomische Köstlichkeiten, Parmaschinken, Parmesan, und auch wenn die berühmte Parmigiana (ein Auflauf mit Auberginen, manchmal Zucchini) wahrscheinlich aus Neapel oder Sizilien stammt, bedeutet „alla parmigiana“ doch „auf Parma-Art“. Die Region Emilia-Romagna ist ohnehin verwöhnt mit Spezialitäten wie Mortadella, Aceto balsamico, Culatello etc.
So ist es kein Wunder, dass die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit, Efsa, ihren Sitz in Parma hat. Ebenfalls gibt es ganz in der Nähe die hoch angesehene International School of Italian Cuisine, ALMA, deren erster Rektor Gualtiero Marchesi war, welcher als Begründer der modernen italienischen Küche gilt.
Und die Universität von Parma bietet einen dreijährigen Studiengang in „Scienze Gastronomiche“ an, der alles Wissenswerte rund um Lebensmittel beinhaltet (Gastro-Tourismus, Herstellung, Vertrieb usw.).
Parma beherbergt den größten Pastahersteller der Welt, die Firma Barilla.
Und Mutti, Tomateneindoser und Erfinder der Tomatenmarktube.
Außerdem ist die Stadt italienische Kulturhauptstadt 2020, dieses Event hat allerdings unter den Corona-Einschränkungen leiden müssen.
Genug Gründe also für einen kleinen kulinarischen Abstecher Anfang Oktober, als zwar in Italien in allen öffentlichen Gebäuden Fieber gemessen wurde und Desinfektionsspender allgegenwärtig waren, die Pandemie aber, aus aktueller Sicht, eine kleine Pause einlegte.
Wenn auch das berühmteste Produkt Parmas aus Schweinen hergestellt wird, haben die Parmigiani jedoch noch eine andere Leibspeise, von einem anderen Tier. Diese kurz vor der Wiedereröffnung stehende alte Metzgerei gibt einen dezenten Hinweis darauf, um welches Tier es sich handelt:
Daraus zubereitet wird das Pesto di Cavallo, ein Tatar aus Pferdefleisch, im parmenser Dialekt Caval pist genannt. Und ist tatsächlich auf so ziemlich jeder Speisekarte zu finden.
Hier sehr puristisch serviert in der Osteria Rangon, einem Lokal mit bodenständiger, traditioneller Küche.
Danach noch eine Portion Pasta, die ebenfalls für die Region typischen Tortelli d’erbette, Nudeln gefüllt mit jungem Mangold, Parmesan und Ricotta, serviert mit zerlassener Butter und geriebenem Parmesan, e basta.
Die Osteria war ein Tipp von Giorgia, der bezaubernden Vermieterin meiner nicht minder entzückenden Wohnung, zentral gelegen, geschmackvoll, aber behutsam renoviert. Neues erschaffen, Altes bewahren.
Die Osteria Rangon liegt im Borgo delle Colonne, einer hübschen Straße mit Arkadengängen. Rund um diese Gegend, auf der Rückseite der Kathedrale gelegen, haben sich so einige schöne Bars und Restaurants angesiedelt.
So, denke ich, erklärt sich auch der Name dieser quirligen Bar, Canaglie del Naviglio (nennen wir es freundlich „Schurken“ des Kanals), eine kleine Anspielung auf das berühmte Ausgehviertel Mailands, die Navigli.
Ein weiterer Tipp Giorgias, und zwar ein ganz ausgezeichneter!
Ich bestellte à la carte, denn erfreulicherweise wurden alle Gerichte auch in kleinen Portionen angeboten.
Zur Begrüßung eine Praline aus Kakaobutter mit Baba Ganoush (arabisches Auberginenpüree), Gazpacho und einem Zwiebelöl (Olio di cipolline klingt irgendwie hübscher) mit Basilikum.
Aufregender Start!
Dann eine Portion Parmaschinken, Prosciutto crudo di Sant‘ Ilario, 30 Monate gereift, serviert mit einem Chutney. Einzigartige Qualität ohne Ablenkungen, über das perfekte Alter eines Parmaschinkens sollte ich später noch mehr lernen.
Nun ein pochiertes Ei auf einer Pappa al pomodoro (eine feste Tomatensuppe, siehe Perugia) versteckt unter einer Schicht aus Bàgoss-Käse (ein kräftiger Hartkäse mit Safran(!) vom Lago d’Idro) und Buttermilch, gewürzt mit scharfem Paprikapulver.
Ungewohnte Kombinationen, doch wenn man durch die weiße Buttermilch-Käse-Masse zum tomatigen Grunde vordrang, und alles zusammen auf dem Löffel verzehrte, verstummte jeglicher Zweifel.
Die Stimmung stieg, nicht nur durch den Wein, und das Risotto mit Riso Nero Venere, Gambero crudo, Garnelenpulver, Knoblauchcreme und Salbei markierte den Höhepunkt des Abends.
Farblich nicht besonders schön, auch das Garnelenpulver auf dem Tellerrand als Deko eher irritierend. Geschmacklich aber überzeugend!
Die sanfte Meeresbrise der rohen Garnelen, kombiniert mit den dunklen, erdigen Aromen des schwarzen Reises, der auf den Punkt gegart war (und das ist alles andere als einfach!) verführten mich dazu „das Schühchen zu machen“ (fare la scarpetta – die italienische Redewendung für das begeisterte Aufwischen der Sauce mit Brot).
Statt Dessert noch einen Tatar (diesmal vom Rind) mit Pane carasau (dünnes, knuspriges sardisches Fladenbrot), Sommertrüffeln und gerösteten Haselnüssen.
Hervorragend. Und auch der beste Gang, wenn da nicht diese rohen Garnelen mit schwarzem Reis gewesen wären…
Ein wunderbarer Abend, eine charmante Bedienung und ein vorzügliches Essen.
Preise moderat, tolle Weine.
Im Cortex wird der manchmal etwas zu sehr in der Tradition verhafteten italienischen Küche gekonnt und inspiriert auf die Sprünge geholfen.
Tags darauf ein Ausflug.
Es werden so einige Touren angeboten, um die Produzenten von Parmesan, Culatello di Zibello (auch ein Schinken), Balsamicoessig und der Salame di Felino (keine Angst, diese Wurst ist nicht von der Katze, sondern aus dem Ort namens Felino) zu besichtigen, allein es fehlte die Zeit.
Doch wollte ich Parma nicht verlassen, ohne dem berühmten Schinken und dem Divin Porcello, dem göttlichen Schwein(chen), gehuldigt zu haben!
Also auf nach Langhirano, dem Hauptort der Herstellung. Nur aus dem kleinen Gebiet rund um den Ort, zwischen den Flüssen Enza und Stirone, kommt die gesamte Produktion des Parmaschinkens auf der Welt.
Ich darf an dieser Stelle die blumigen Ausschmückungen des Consorzio di Parma zitieren:
„Hier herrschen klimatische Bedingungen, die ideal sind für das natürliche Lufttrocknen der Schinken. Der Seewind der Versilia streift, nachdem er das Aroma der Pinienwälder aufgenommen hat, gegen die Karstberge der Cisa, verliert dabei seinen salzigen Geschmack und bläst anschließend durch die Kastanienwälder. Die Luft wird trocken und ist ideal für die Reifung des Prosciutto di Parma.“
Um jährlich 9 Millionen Schinken herzustellen braucht es 4,5 Millionen Schweine, und für die Zucht all dieser ist die Gegend zu klein. Die Schweine stammen daher aus ganz Italien, nein, nicht ganz Italien, sondern aus 10 festgelegten Provinzen: Der Emilia-Romagna, Venetien, Lombardei, Piemont, Molise, Umbrien, Toskana, Marken, Abruzzen und Latium.
Die Familie Lanfranchi von der Salumificio La Perla ist einer dieser Produzenten, Tochter Silvia kümmert sich um das Marketing und begrüßte uns zur Führung durch den Betrieb.
Die Schweinekeulen werden mit Salz eingerieben, reinem Meersalz, kein Nitritpökelsalz, keine Farbstoffe, worauf man nicht ohne einen gewissen Stolz hinwies, die Schwarte mit feuchtem, die Muskelteile mit trockenem Salz.
Die Schinken reifen nun in verschiedenen Kühlräumen mit kontrollierter Luftfeuchtigkeit, je nach Alter geht es dann in den nächsten Kühlraum.
Das riecht man.
Der Geruch ist ohnehin atemberaubend, aber tatsächlich riecht es in jedem Raum unterschiedlich, abhängig vom Reifegrad.
Nach 70 Tagen wird das Salz entfernt und die Schinken trocknen an der Luft, Luftstrom und Luftfeuchtigkeit genauestens gesteuert, versteht sich.
Einen weiteren Monat später werden die Muskelpartien mit einer Schutzschicht aus Reismehl, Pfeffer und Schmalz eingerieben, um ein zu schnelles Austrocknen zu verhindern.
Nach mindestens 12 Monaten ist der Schinken dann soweit, und wird mithilfe eines Pferdeknochens auf einwandfreien Geruch überprüft. Pferdeknochen deshalb, weil diese porös sind und der an ihnen haftende Geruch schnell verfliegt, so kann es zügig weiter zum nächsten Schinken gehen (und an Pferdeknochen herrscht kein Mangel, siehe weiter oben).
Schinken mit Fehlern, sei es Geruch, Schimmel oder sonstigem Makel werden kompromisslos aussortiert und verbrannt.
Erst dann wird dem Parmaschinken sein Gütesiegel, die Krone der Herzöge von Parma eingebrannt.
Aus 15 Kilo Anfangsgewicht sind bis dahin etwa zehn geworden.
Zum Abschluss des Besuches gab es (an weit auseinander stehenden Tischen…) noch ein Glas trockenen Malvasia, ein wenig Parmesan und eine Portion 14 Monate alten Schinkens, was auch, nach Silvias Meinung, die perfekte Reifedauer sei. Ältere Schinken wären zwar auch gut, aber halt schon ganz anders im Geschmack. Und jünger als 12 Monate geht ja sowieso nicht. Merke ich mir mal und teste.
Zurück in der Stadt noch ein wenig gebummelt, und nicht ganz zufällig, an der Coltelleria Righi vorbeigekommen. Ein Küchenladen mit dem Schwerpunkt auf hochwertigen Messern (coltello=Messer). Doch fatalerweise lag da noch etwas ganz anderes im Schaufenster:
Ein Steintopf. Hätte dableiben dürfen, wäre ich geflogen. Doch unverhofft klimabewusst bin ich mit dem Zug gereist, und so wurden die Rollen des Koffers einem beachtlichen Materialtest ausgesetzt.
Denn der Topf ist schwer.
Zum Schmoren, Erfahrungsberichte folgen.
Des späteren Abends in die versteckt liegende Jolly Roger Cocktailbar. Versteckt? Ja, das alte Spiel mit der Klingel, um Einlass zu erhalten.
Ein wenig britischer Landhaus-Stil, gemütlich, kompetent und freundlich.
Am letzten Tag umhergestreift, italienische Hemden bei Vitali gekauft, reichlich caffè getrunken und die Seele baumeln lassen.
Am Abend in das besternte Ristorante Parizzi, doch dazu ein eigener Bericht.
Abschließend möchte ich sagen: Parma hat sich von seiner besten Seite gezeigt, und hier ist mit Sicherheit noch so einiges zu entdecken, nicht nur kulinarisch, sondern auch in Kunst und Kultur. Von Dom, Baptisterium, Santa Maria della Steccata, Teatro Regio und all der anderen Belle arti habe ich ja noch gar nicht gesprochen. Wiederkommen ist vorgemerkt.
L’Antica Macelleria di Parma
Via dei Farnese 3C
Osteria Rangon
Borgo delle Colonne 26
Canaglie del Naviglio
Borgo delle Colonne 40B
Cortex Bistrot
Borgo del Correggio 20B
Coltelleria Righi
Strada della Repubblica 106
Jolly Roger Speakeasy
Strada Agli Ospizi Civili 6
Salumificio La Perla
Strada Quinzano Sotto 10, 43013 Langhirano
se po a magn ‘na bocäda,
a sént profumm e savór
che i m’ricordon la gioventù,
cuand la mizérja l’éra la me compagna
e la me ómbra l’era la fama.
Tutt ‘sti ricord i m’én tornè in mént cuand, cuäzi par cäz, a m’són fermè a l’ostaria Rangon, in pjazäl San Loréns. L’é stè un bél momént: fortuné d’ésrogh capité.
Ausschnitt aus dem Gedicht von Umberto Ceci, „’n‘ ostaria“, im Dialekt Parmas.
wenn wenig Essen war, ein Mundvoll nur an hundert Gerüchen und Geschmäckern wie ich erinnere die Jugend, als das Elend war meine Begleiterin und mein Schatten war der Hunger
all dies‘ Erinnerung, die mir sind zurück in Sinn wann nur der Zufall mich einkehren ließ bei der Osteria Rangon, an der Piazza San Lorenz‘. Dies war ein herrlicher Moment: glücklich ist es mir geschehen.
Ein Kapitel der neuen Reihe „Wir retten die regionale Gastronomie im Alleingang“.
Ein weiterer Besuch im Restaurant Ox in Darmstadt, denn beim ersten Mal hat es schon sehr zu gefallen gewusst.
Dies fand natürlich vor dem zweiten, aktuellen Lockdown statt. Eigentlich versuche ich Zweitberichte/Wiederholungen zu vermeiden, doch dieses Jahr ist halt alles anders. Und der Bericht soll Lust machen dort hinzugehen (und in alle anderen Restaurants), wenn es denn wieder möglich ist. Und nein, für diese „Werbung“ bekomme ich nichts, die Betreiber wissen nicht einmal etwas davon.
Man konnte zu Beginn des Abends noch draußen sitzen, im hübschen kleinen Hinterhof.
Das Fünf-Gänge-Menü „pure taste“ sollte es sein, für je 115 Euro, Weinbegleitung je 40 Euro.
Als Gruß aus der Küche gab es von der Bonotte-Kartoffel Scheiben auf Kartoffelschaum mit Feigenstücken, und ein weiteres Amuse mit Alpensaibling, Gewürzfenchel auf Fenchelcreme, Apfel-Gurken-Eis und Mini-Fenchelsalat.
Beeindruckender Start.
Der erste Gang ein herrlich knuspriger Bauch vom Bellota-Schwein, mit verschiedenen Variationen von Kürbis, dazu ein Bagnol rosé.
Zweiter Gang eine Wachtel von Jean Claude Miéral, einem berühmten Geflügelzüchter aus der Bresse, mit Sandkarotten, Chioggia-Rübe und Vogelbeeren. Die Chioggia-Rübe ist eine Variation der Roten Bete, auch Ringelbete genannt.
Ganz ausgezeichnet, die Wachtel zart und saftig. Tolle Riesling Spätlese von der Mittelmosel.
Darauf ein Potpourri von Edelfischen, Wolfsbarsch, Seeteufel, Calamaretti, drei Muschelsorten, mit Misopaste, Kombualge, Krustentiersud und gegrillter Artischocke.
Das Meeresgetier von wunderbarer Qualität, und die Sauce hocharomatisch und würzig. Keine leichte Meeresbrise, sondern eine deutliche Ansage.
Fünf Gänge könnten ausreichend sein, doch à la carte lockte ein wilder Carabinero, eine Tiefseegarnele. Den wollte ich probieren!
Ganz puristisch serviert, und nur knapp gegart, fantastisch.
Zum Hauptgang eine geschmorte Schulter vom Savannenrind mit geflämmtem Mais, Polenta und Weintrauben. Die Savanne liegt in diesem Fall nicht in Afrika, sondern in der spanischen Extremadura (siehe Gazpacho).
Ein sehr guter Ribera del Duero harmonierte hervorragend.
Als Dessert Zwetschge, Ziegenquark, Portwein, Nussbutter und eine Riesling Spätlese vom Weingut Weiser-Künstler, ein perfekter Abschluss.
Die Qualität der Zutaten, das Niveau der Zubereitung und nicht zuletzt die Weinbegleitung wieder einmal erstklassig.
Es würde mich nicht wundern, wenn Anfang März über Darmstadt ein neuer Stern leuchtete.
Nachtrag: Hat ein Jahr länger gedauert, aber mit der Michelin-Ausgabe von 2022 wurde dem Ox ein Stern verliehen. Glückwunsch!
Obwohl ein altes Vorurteil behauptet, das beschauliche Saarland würde in den deutschen Medien nur als Flächenmaß auftauchen („In Südostaustralien wütet ein Waldbrand von der Größe des Saarlands…“), hat es doch kulinarisch einiges zu bieten. Begünstigt durch die Nähe zu Frankreich wird das Genießen groß geschrieben, so auch verinnerlicht im inoffiziellen Landesmotto:
„Hauptsach‘ gudd gess‘. Geschafft hann mir schnell.“
Gute Gründe also für einen Abstecher in die Hauptstadt, nach Saarbrücken.
Studenten dürfen sich im Brutalismus aalen
und laben, die ikonische Mensa von Walter Schrempf und Otto H.Hajek war für mich mit Coronabeschränkungen und ohne Studentenausweis leider nicht zugänglich.
Beim Bummel durch die Innenstadt, bzw. den beiden Ausgehvierteln Sankt Johann und dem Nauwieser Viertel, aufgefallen:
The Broom
Kleiner, aber feiner Laden mit schönem Geschirr.
Reiseck
Verkauft Onigiri. Onigiri sind Reisbällchen, eingewickelt in ein Algenblatt, mit unterschiedlicher Füllung (Fisch, Avocado, Pilze, Gurke etc.). Ursprünglich eine Resteverwertung, haben sich Onigiri zu einem beliebten japanischen Snack und Fast Food entwickelt, ähnlich den sizilianischen Arancini, aber nicht frittiert.
Außerdem ein wenig japanisches Geschirr und Spezialitäten im Angebot. Originär aus Saarbrücken, inzwischen zu einer kleinen Kette mit drei weiteren Filialen in Trier, Frankfurt und Aachen angewachsen.
Spanischer Weinladen mit Delikatessen. Freundliche Inhaber, mit der Möglichkeit auch ein Glas zu trinken, Tapas auf Vorbestellung.
Im Sommer genießen die Saarbrücker den Biergarten Am Staden und die Wiesen am Saarufer.
Ach ja, und ein modernes Museum, die Moderne Galerie, deren Erweiterungsbau für einigen Wirbel gesorgt hat. Auszüge aus der diesbezüglichen Debatte im Landtag sind auf dem Boden vor dem Museum verewigt.
Schöne Sammlung mit Gemälden und Skulpturen des 20. Jahrhunderts, Beckmann, Kirchner, Picasso, Archipenko.
Patron Jens Jakob hat nach verschiedenen Stationen in der Gastronomie, unter anderem bei Klaus Erfort, mit dem eigenen Restaurant „Le Noir“ in Saarbrücken zwei Michelin-Sterne erkocht.
Doch der Erfolg bei den Kritikern bleibt ohne wirtschaftlichen Erfolg, und so muss er das Restaurant nach knapp 10 Jahren schließen. Auch ein Neustart unter anderem Namen „Jens Jakob Das Restaurant“ scheitert, worüber er auch ganz offen spricht.
So schnell aber gibt der Mann nicht auf, und seit Ende 2018 betreibt er das „Le Comptoir“ in der Försterstraße, zu deutsch: die Theke. Und ebendiese ist auch der Blickfang in der geschmackvoll renovierten ehemaligen Bäckerei, außer den Sitzplätzen dort gibt es nur noch vier Tische. Und auch das Personal ist reduziert, statt früher 39 Angestellten sind es im Le Comptoir nur noch drei, die Köche David Christian und Peter Wirbel, beide früher auch im Le Noir tätig, und Jens Jakob selbst.
Serviert wird über die Theke, das ist gemütlich und entspannt, und Jakob erklärt jeden Gang kompetent und detailliert.
Fünf Gänge zu 74 Euro, Weinbegleitung 38 Euro.
Als Gruß aus der Küche ein Tatar mit Senf und Pumpernickel, dazu ein Buttermilch-Shot mit Charentais-Melone, obenauf scharf gewürzte Mandelblättchen. Das ließ sich gut an.
Der erste Gang ein Baumkuchen mit Entenstopfleber, serviert mit einem Pfirsich-Lavendel-Kompott, dazu ein Eis von der Stopfleber, welches mit demi-glace, Glukose und Sahne zubereitet sehr angenehm und gar nicht mächtig war (was man bei dem Gedanken an ein Lebereis durchaus vermuten könnte).
Hier sah man das erlernte Handwerk aufblitzen, der Baumkuchen perfekt, und ein optional angebotener Roumieux 2016 bestätigte die Erfahrung, dass Stopfleber und Sauternes ein kongeniales Duo sind.
Danach folgte, serviert mit den Worten “Warum nicht mal ein Hamburger?“, ein ebensolcher mit dem Fleisch von der Königskrabbe, Coleslaw, Koriander und einer prima Mango-Mayonnaise.
Guter Saar-Riesling von Claudia Loch aus Schoben dazu. Der Gang hat mich dennoch nicht so angesprochen wie der vorherige, und mir stellte sich die naheliegende Frage „Warum eigentlich ein Hamburger?“.
Die hausgemachten Gnocchi mit einer Burratacreme und Minze auf einem herrlich intensiven Tomatensugo mit Knoblauch versöhnten mich aber ganz schnell wieder.
Als Hauptgang ein Müritzlamm mit gebackener Chorizo, zweierlei Bohne und Aprikose. Serviert mit beachtlicher Fettschicht, aber die Fleischqualität war so hervorragend, und das Fett so butterzart, dass gar nicht genug davon daran sein konnte.
Zum Dessert eingelegte Kirschen, eine gute Waffel mit Vanillesauce und ein Kirsch-Joghurt-Eis.
Nicht überkandidelt, aber sehr stimmig, dazu ein sehr guter Dessertwein aus dem Roussillon, ein Maury von 2013.
Eine Küche auf hohem Niveau in relaxter Atmosphäre, gutes Konzept.
Noch einen Gute-Nacht-Trunk im Terminus genommen, ein Zufallsfund. Französisches Flair mit abwechslungsreicher Bistrotküche und kauzigem Inhaber, dafür aber eine bezaubernde Mademoiselle Charmante im Service. Ein beliebter Treffpunkt mit häufigen Konzertveranstaltungen.
Zur Zeit halt leider nicht bzw. nur draußen. Kostenloses Auto-, Motorrad- und Quad-Posing vor den Außensitzplätzen inbegriffen.
Gin Tonic für 3,90… Ja ok, mit Gordon’s. Aber für 3,90 bekommt man in Frankfurt gerade mal das Tonic Water zum Gin, und der kostet dann weitere 10 – 12 Euro…
Zum Schluss noch ein Fundstück zum Thema angewandte Lyrik:
Die Kneipe „Zum Elefanten“.
„Komm rein! Geh einen rüsseln“ – das ist schon einen Asbach Uralt wert!
So lästig die Maskenpflicht einem auch sein mag, einen großen Vorteil – abgesehen natürlich von einem gewissen Infektionsschutz – hat sie jedoch: Man kann Knoblauch essen soviel man will!
Wer’s riecht und meckert ist zu nah, ätsch!
Darum will ich hier in die Vollen gehen und ein klassisches Rezept aus dem Süden Frankreichs präsentieren.
Weil die Zehen im Ganzen und mit Schale geschmort werden entsteht allerdings kein penetranter Knoblauchduft, es bleibt relativ unaufdringlich.
Um aber die im Knoblauch vorhandenen gesundheitsfördernden Substanzen hundertprozentig zu verwerten, und wir ja explizit stinken wollen, lutschen wir die butterweichen Zehen später direkt aus der Schale.
Social Distancing at its best!
Köstlich.
Und dazu bleiben nun potentielle Superspreader garantiert in einem absolut sicheren Abstand.
Für 4 Personen, leicht variiert nach Christian Teubner:
1 küchenfertiges Brathuhn, etwa 1-1,2 kg
1 Kräutersträußchen (Petersilie, Liebstöckel, Thymian, Bohnenkraut)
2 Karotten
1 Stange Staudensellerie
120 ml Olivenöl
40 Knoblauchzehen
2 Lorbeerblätter
3 Rosmarinzweige
Salz, Pfeffer
Das Huhn waschen, abtrocknen, innen und außen salzen und pfeffern. Das Kräutersträußchen in den Bauch legen und das Huhn dressieren (d.h. Hals, Flügel und Schenkel zusammenbinden, Kunststücke lernt es keine mehr).
Karotten und Sellerie klein würfeln, auf dem Boden eines Gusseisenbräters verteilen. Das Huhn mit reichlich Olivenöl, Salz und Pfeffer einreiben und in den Topf geben. Restliches Öl angießen, die ungeschälten (!) Knoblauchzehen, Rosmarin und Lorbeer verteilen.
Wer einen Römertopf sein eigen nennt, darf ihn hier benutzen. Den Römertopf dann vorher 10 Minuten in kaltes Wasser legen.
Im auf 180°C (Ober- und Unterhitze, keine Umluft) vorgeheizten Ofen etwa 1 ½ Stunden schmoren lassen.
Die letzten 10 Minuten den Deckel öffnen und das Huhn bei Oberhitze etwas Farbe nehmen lassen.
Aus dem Ofen nehmen und im geschlossenen Topf noch etwa 5 Minuten ziehen lassen.
Mit Beilage nach Wahl servieren, gutes Weißbrot eignet sich hervorragend um den würzigen Sud aufzutunken, oder um es mit den ausgedrückten Knoblauchzehen zu bestreichen. Nicht vergessen so viele Zehen wie möglich auszulutschen!
Ganz wichtig! Es müssen unbedingt 40 Knoblauchzehen verwendet werden! Mehr sind in Ordnung, mit 39 Zehen aber funktioniert das Rezept nicht.
Und wie immer auf die Qualität der Zutaten achten, ich habe hier ein Label rouge Huhn genommen, ein schönes Bauernhuhn oder ähnliches ist auch prima. Halt nicht aus der Tiefkühltheke.
Der Knoblauch rosa und aus Frankreich, die Haut papiertrocken.
Der Name ihrer berühmtesten Rolle entstand aus dem Wortspiel mit „Man appeal“ (Männer ansprechend), „M. appeal“ = Emma Peel. Möglicherweise leicht sexistisch, aber sie füllte die Rolle derart souverän aus, dass Emma eine Vorbildfunktion für eine unabhängige, selbstbestimmte Frau der sechziger Jahre innehatte. Und Diana spielte ihren Partner Patrick Macnee ganz nebenbei an die Wand.
Nach dem Erfolg von „Mit Schirm, Charme und Melone“ spielte sie nur in wenigen Kinofilmen mit, unter anderem einem James Bond, war aber regelmäßig auf der Theaterbühne zu sehen.
Nach dem Ritterschlag zur CBE (Commander of the Order of the British Empire) 1987 wurde sie 1994 zur Dame Commander (DBE), der zweithöchsten Stufe des britischen Ritterordens ernannt.
Im Alter von 75 Jahren brillierte sie noch einmal in der Kultserie „Game of Thrones“.
In der Serie „The Avengers“ (der Originaltitel von Mit Schirm, Charme und Melone) wurde hauptsächlich Champagner getrunken, und auch wenn sie zu ihrem achtzigsten Geburtstag eine Party schmiss und dafür einen Cocktail erfand, Diana’s Dynamite, bestehend aus Prosecco mit Cointreau, „which got everyone hammered“, würde ich doch lieber mit einem Champagner-Cocktail auf sie anstoßen:
Gin, Zitronensaft und Sirup auf Eis in einem Shaker kräftig schütteln, in ein vorgekühltes Champagnerglas oder einen Champagnerkelch abgießen, mit dem Champagner auffüllen.
Hundstage. Deutschland glüht im Glanze. Etwas erfrischendes muss her, und was könnte erfrischender sein als eine kalte Suppe?
Zeit für ein Gazpacho!
Ein? Der? Die, das Gazpacho? Der Duden empfiehlt der oder die, im Spanischen heißt es „el gazpacho“, also maskulin.
Manche Gerichte bleiben auf ewig im kulinarischen Gedächtnis und sind verbunden mit Düften, Ereignissen und Erinnerungen, die Weihnachtsgans oder die Plätzchen der Großmutter, die erste echte italienische Pizza, das Eis am Strand von Vittorios mobiler Eisdiele, und so weiter.
Meine Erweckung durch Gazpacho begann im Hochsommer auf einer staubigen spanischen Landstraße im Landesinneren, damals noch mit luftgekühltem Auto. Die Insassen wurden allerdings keineswegs gekühlt, und nachdem ein gerissener Gaszug zwar im MacGyver-Stil mit Bordmitteln repariert werden konnte (Nagelfeile als Schraubenzieher-Ersatz und eine am Straßenrand gefundene Lüsterklemme), das betagte Fahrzeug danach aber eine noch geringere Höchstgeschwindigkeit hatte, stieg das Bedürfnis nach kalten Getränken.
Das im Auto befindliche Wasser in Flaschen hatte den Siedepunkt erreicht, die Luft flirrte und die wenigen Menschen in den verlassenen Dörfern der Extremadura zerflimmerten zu den erratischen Figuren von Picassos Don Quixote, keine Bar, kein Kiosk weit und breit.
Doch dann, auf einem Hügel am Horizont, tauchte die Oase auf: Eine klapperige Tankstelle mit kleiner Bar im Nebengebäude. Durch den Fliegenvorhang hinein ins Halbdunkel, den Weg über den mit benutzten Papierservietten, Erdnussschalen und Zigarettenkippen gesprenkelten Fliesenboden gebahnt, und den Kühlschrank mit Wasser und zuckriger Naranja-Limo leergekauft.
Da fragte die rustikale Wirtin uns: „Wollt ihr nicht lieber ein Gazpacho? Ist ganz frisch gemacht.“
Keine Ahnung was ein Gazpacho war, aber her damit, Hauptsache kalt. An einen der Tische gesetzt, eine Schüssel mit Suppe und etwas Brot serviert bekommen, und den ersten Löffel probiert. In diesem Moment fuhr aus dem Himmel ein gleißender Lichtstrahl auf meine Suppenschale, und ich bin mir sicher es erklang auch ein Chor mit dem Halleluja, irgendwo aus den Tiefen der Bar.
Die Suppe frisch zubereitet, eiskalt und von erlesenem Geschmack, so konträr zum sonstigen Erscheinungsbild der kleinen Bar. Und so begann eine Liebe fürs Leben.
Wie so oft gibt es viele Rezepte, und so einige Varianten, grüner, gelber, fester Gazpacho, etc.
Doch bleibt der klassische Gazpacho mein Favorit.
Und zu dessen Rezept möchte ich einen Film empfehlen, „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“.
In diesem wirklich sehenswerten Frühwerk von Pedro Almodóvar spielt ein Gazpacho eine wichtige Rolle. Die Protagonistin hat die Suppe mit Schlafmitteln versetzt, um ihren untreuen Liebhaber damit zu vergiften. Doch nicht dieser erscheint in ihrer Wohnung, sondern stattdessen seine Ehefrau, zwei Polizisten und noch so einige andere Personen.
Was ist nun drin in einem guten Gazpacho, abgesehen von einer ordentlichen Ladung Schlaftabletten? Die großartige Carmen Maura verrät es uns hier (der junge Mann auf dem Sofa im grauen Anzug mit den Achtziger-Jahre-Schultern ist übrigens Antonio Banderas):
„Tomate,
pepino (Gurke),
pimiento (Paprika),
cebolla (Zwiebel),
una puntita de ajo (ein „Pünktchen“ Knoblauch, eine kleine Zehe),
aceite (Öl),
sal (Salz),
vinagre (Essig),
pan duro (altbackenes Weißbrot),
y agua (und Wasser).“
Dann los, man nehme für 4 Personen:
600g reife Fleischtomaten
1 Gurke
1 grüne Paprika
1 kleine milde Zwiebel, sonst eine viertel Gemüsezwiebel
1 Knoblauchzehe
3 El Olivenöl (sollte nicht zu grasig/bitter sein, gerne spanisches, z.B. von der Sorte Arbequina)
1 Prise Salz
2 El Weißweinessig
2 kleine Scheiben altbackenes Weißbrot
½ Liter Wasser
Ich ergänze noch um 2 El Tomatenmark, gibt Geschmack und eine schöne Farbe.
Die Gemüse in kleine Stücke schneiden, das Brot entrinden und klein würfeln, mit den anderen Zutaten zusammen in einen Standmixer geben und sehr fein pürieren. Wer auch den letzten Tomatenhautfitzel entfernen will, möge die Suppe durch ein Sieb streichen.
Mit Salz und Pfeffer abschmecken, bei Bedarf eine Prise Zucker zugeben.
In den Kühlschrank stellen, am besten einen ganzen Tag lang. Gazpacho muss eiskalt sein! Nicht mit Eiswürfeln herunterkühlen, das würde zu sehr verwässern.
Servieren kann man entweder wie im Film als Getränk im Glas, oder in der Café au lait Schale.
Wenn im Teller angerichtet wird gebe ich noch Garnitur dazu, in Olivenöl geröstete Croûtons und Stückchen der verwendeten Gemüse.
Die Zutaten wie immer von bester Qualität und Reife wählen, denn wie ein spanisches Sprichwort schon sagt:
„Con mal vinagre y peor aceite, buen gazpacho no puede hacerse.“
(Mit schlechtem Essig und schlechterem Öl lässt sich kein guter Gazpacho herstellen)
Weinempfehlung:
Rosé, hier Cabernet Sauvignon aus dem Somontano, ein Douro Rosado aus dem benachbarten Portugal geht auch prima.
Letztes Jahr im Restaurant Donna Irene in Padua gegessen, und nun mit reifen Tomaten und reifer Melone nachgemacht.
Für 4 Personen
350 g Thunfisch
1 Frühlingszwiebel
4 Basilikumblätter
250 g Wassermelonenfruchtfleisch
6-8 vollreife Tomaten
1 El Limettensaft
4 Scheiben italienisches Landbrot, ersatzweise Ciabatta
Ölivenöl
Die Tomaten vierteln, das Innere samt Kernen entfernen und in einem Sieb abtropfen lassen, das Wasser dabei auffangen, vorsichtig ausdrücken. Reste und Kerne entsorgen, die Tomatenviertel in einem Salat oder einer Tomatensoße verwursteln. Das kostbare Tomatenwasser mit Salz und Pfeffer würzen und beiseite stellen.
Die Frühlingszwiebel in kleine Würfel schneiden, auch mit dem Grün so verfahren. Den Thunfisch in kleine, etwa 0,5 cm große Würfel schneiden, ebenso das Fruchtfleisch der Melone. Die Thunfischwürfel mit der kleingeschnittenen Frühlingszwiebel, einem Esslöffel von dem Tomatenwasser, dem Limettensaft und einem Schuss Olivenöl verrühren, salzen und pfeffern.
Das Brot in Scheiben schneiden und in einer Pfanne mit Olivenöl goldbraun anrösten.
In einem Servierring anrichten, erst den Thunfisch, obenauf die Melonenwürfel. Noch einmal mit wenig Salz und Pfeffer würzen und mit Olivenöl besprenkeln. Mit einem Basilikumblatt garnieren, und mit einer Scheibe Brot servieren.
Das Gericht lebt, wieder einmal, von der Qualität der Zutaten. Die Tomaten sollen reif und aromatisch sein. Sie darf am Strunk noch etwas grün sein, eine vollständig rote Tomate wurde wahrscheinlich unreif geerntet und nachgereift. Und keinesfalls sollte sie wässerig sein, auch wenn wir das hier das Wasser der Frucht benutzen. Gerne San Marzano.
Die Wassermelone darf auf keinen Fall eines dieser kleingezüchteten, kernlosen, geschmacklosen Exemplare sein. Sondern eine große, ja riesige, und unbedingt mit Kernen!
Diese hier darf definitiv nicht in den Kühlschrank passen.
Sie soll so groß sein, dass, wenn man sie mit Lehm bestreicht und auf einem Baustellengelände deponiert, der Kampfmittelräumdienst anrückt.