Kulinarische Kreuzfahrt

Mit den Hofköchen Wiesbaden

 

Schlachthof Wiesbaden, Grafitti

Der Schlachthof Wiesbaden ist ein Kulturzentrum mit diversen Veranstaltungen, von Konzerten über Disco zu Poetry-Slam. Die Hofköche sind ein dort ansässiger Cateringbetrieb, der normalerweise die Verpflegung für die Bands übernimmt, außerdem Buffets für Messen, Events und Geburtstagsfeiern liefert. Und einmal im Monat (seit 2002!) im Veranstaltungsraum, dem Sudhaus, zu einem Überraschungsmenü einlädt, genannt Milde Sorte.

Nachdem dieses Geschäft nun seit einem Jahr komplett weggebrochen ist, was macht ein schlauer Caterer da?

Essen zum Abholen!

Im Sommer und Herbst fing es an mit dem sogenannten Ausnahmezustandsbuffet, anfangs gedacht um wenigstens ein paar Mitarbeiter etwas zu beschäftigen. Dieses Konzept entwickelte sich aber zu einem großen Erfolg, und so entstanden weitere kreative Ideen.

Was fehlt uns am meisten in der aktuellen Situation, abgesehen von der Möglichkeit ein Restaurant zu besuchen?

Reisen! Um das schlimmste Fernweh zu bekämpfen entstand die Idee einer virtuellen Kreuzfahrt mit verschiedenen Reisezielen. Dazu hat Christoph Holderrieth, der Geschäftsführer der Hofköche, auch noch ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm organisiert.

Auch das Ausnahmezustandsbuffet wurde schon von einer Videokonferenz begleitet, was anfangs zu unterhaltsamen Situationen führen konnte. Über 30 fröhliche Leute, die zum ersten Mal ihren Laptop in der Küche oder im Wohnzimmer aufbauen um ein virtuelles Meeting abzuhalten und munter drauflos schnatterten: „Ist das Mikro eigentlich an?“ – „Wofür ist dieser Button hier?“.

Zur kulinarischen Kreuzfahrt wurde diesmal eine Videoübertragung mit Moderation angeboten, mit der Möglichkeit sich über einen Chat mit einzubringen. Zugeschaltet wurden auch verschiedene Gastmoderatoren respektive Ortsansässigen, bei der letzten Veranstaltung zum Beispiel der ehemalige ZDF-Börsenreporter Reinhard Schlieker, der sich im Ruhestand auf Curacao niedergelassen hat. Mit wehenden Palmen vor türkisem Meer im Hintergrund.

Bei der ersten Tour hatten wir nur eine Station gebucht, eben die Karibik, bei dieser Kreuzfahrt nahmen wir an der gesamten Reise teil, insgesamt fünf Ziele an fünf Abenden.

Drive-in-Schalter, mit Koch Mig Schäfer und Christoph Holderrieth. Nach dem Foto wieder mit Maske.

Ein Bordpianist war auch mit dabei, Uwe Oberg, der zwischen den einzelnen Gängen und der Moderation live aus einem kleinen Filmstudio des Murnau-Filmtheaters zugeschaltet war.

Das erste Reiseziel am ersten Abend war Finnland. Hier nach dem Auspacken:

Finnisches Kreuzfahrt-Menü. Stilecht mit Ahoi-Brause geliefert.

Die ungewöhnlichste Speise: Kalakukko. Ein mit Fisch (hier Sardine) und Speck gefülltes/gebackenes Brot. Daran durfte sich Juan Amador in einer Folge von Kitchen Impossible schon einmal versuchen, damals von der kritischen Foodblogger-Jury abgestraft.

Uns aber hat es gefallen, ich denke dieses Nationalgericht war ursprünglich als transportfähiger Energielieferant für die harte Arbeit als Fischer oder in den Wäldern Finnlands gedacht.

Dazu noch ein Elchragout und würzige Rentierwurst, Fleischbällchen mit Mixed-Pickles-Gel, Lachssuppe, Waldpilzsalat und einem finnischen Kartoffelsalat.

Eine wohlschmeckende Überraschung für mich, konnte mir unter finnischem Essen bis dahin nicht viel vorstellen. Aber Elch nehme ich jederzeit wieder. Werden die gejagt? Wo bekommt man das hier? Roadkill?

Kalakukko, oben

Am zweiten Abend ging es in den Irak, was zwar kein klassisches Kreuzfahrtziel ist, aber durch den aus dem Irak stammenden Auszubildenden Swel sehr authentische Gerichte präsentiert wurden.

Swel hat gleichzeitig in einem Interview Einblicke in seine Heimat und die irakische Küche gegeben.

So gab es zum Beispiel Madguga (Dattelbällchen mit Birne), oder Erok (Kartoffelbratlinge mit einem Chili-Korianderdip), Lamm mit Biryani und Tarchina (Bulgur mit Joghurt, getrocknet) und noch einige andere Häppchen, sehr lecker auch die in Sesam gewälzten Falafel.

Irak. Noch mit finnischer Deko.

Das Thema des dritten Abends hieß Kimchi, Bulgogi und Kim Il Jung. Die Reise führte nach Korea, und zwar explizit Nord und Süd, denn diesmal per Videoschaltung dabei war ein Veranstalter, der eine der wenigen Pauschalreisen in den kommunistischen Staat organisiert.

Zu essen gab es neben dem oben erwähnten (außer Kim-Il Jung) Gimbap (koreanisches Sushi), Tteobokikki (Reiskuchen), Bibimbap (superschmackhaftes koreanisches Reis-Reste-Verwertungsgericht, das hier demnächst als Rezept auftauchen wird), Jjajngmyeon (Nudeln in schwarzer Bohnenpaste, und Banchan (viele kleine Beilagen).

Das vierte Ziel war Namibia, moderiert von Christoph Holderrieths Tochter Ida, die dort ihr Soziales Jahr verbrachte.

Zum Menü gehörten unter anderem Biltong (luftgetrocknetes Rindfleisch), knuspriger Schweinebauch, gewürzt mit direkt importierter Capana-Gewürzmischung vom lokalen Markt.

Live zugeschaltet war ein namibischer Koch aus Windhuk, der von seinem Arbeitsalltag vor und während Corona erzählte. Später noch ein Interview mit einem deutschen Farmbesitzer, der auf seiner Lodge (normalerweise) Zimmer an Touristen vermietet.

Am letzten Abend einer Kreuzfahrt findet traditionell das Captain’s Dinner statt, und so war es auch hier.

Begleitet von einem waschechten Kapitän, Kapitän i.R. Claus-Holger Baumert, der nach 44 Jahren zur See auf großen Containerschiffen so einiges Seemannsgarn zu spinnen wusste, und viele interessante Einblicke in die Welt der Hochseeschifffahrt gab.

Captain’s Dinner

Er war auch bei der ersten kulinarischen Kreuzfahrt schon mit an Bord und hat die Passagiere mit seinen Geschichten gefesselt.

Zum Beispiel über die Schwierigkeiten der medizinischen Versorgung mitten auf dem Ozean, außerhalb der Reichweite jedes Notfallhubschraubers.

Sehr amüsant auch die Einblicke in die Passage des Suezkanals, wo als Schmiermittel für eine reibungslose Durchfahrt zwingend eine Flasche Wodka und ein paar Stangen Zigaretten an die Kanalkommandatur mitzubringen sind.

Alkohol in einem islamischen Staat? Nun, Kapitän Baumert bejahte dieses auf Nachfrage entschieden. Na, schließlich ist das Wort ja auch arabischen Ursprungs (al-kuhul).

Die Teilnehmer dieses Abends wussten daher wenige Tage später sofort, was schiefgelaufen war bei der Passage des Schiffes „Ever Given“, das im Suezkanal havarierte. Da hatte wohl jemand keinen, oder schlechten Wodka offeriert.

Abschluss der Reise

Der Preis pro Person pro Abend betrug 38 Euro, das Captain’s Dinner je 48 Euro, alles einzeln oder im Paket buchbar.

Ursprünglich zur Selbstabholung oder zur Lieferung im Wiesbadener Stadtgebiet geplant. Nachdem zufriedene Teilnehmer aber ihre Berliner Freunde von der Mitreise überzeugten, gibt es inzwischen auch bundesweite Lieferung mit DHL.

Leinen los heißt es wieder ab dem 20.5., die Reiseziele sind diesmal Russland, Libanon, Südafrika, und die Philippinen.

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